Heinrich Oberheid (l., 1895-1977) und Hermann Rehmann (1909-2001)
Heinrich Oberheid (l., 1895-1977, 1933/34 Pfarrer in Asbach) und Hermann Rehmann (1909-2001, 1938 bis 1975 Pfarrer in Ruppichteroth) Fotos: LK-Bildarchiv / Gemeindearchiv Ruppichteroth

NS-Zeit – Und was war hier mit Deutschen Christen?

von Anna Neumann

11.12.2020

Unter den Reaktionen auf die ekasur-Porträtserie von Theologen der Bekennenden Kirche (BK) findet sich auch die kritische Nachfrage: „Und was war mit den Pfarrern der Deutschen Christen?"


Zweite Frage: „Malen wir uns nicht wieder mal die Vergangenheit schön?“ Diese Frage ist legitim; sie wurde der Landeskirche auch schon von Prof. Günther van Norden und Pfarrer Klaus Schmidt (bis 1982 Friedenskirchengemeinde Troisdorf) in „Sie schwammen gegen den Strom“ (2006) deutlich hörbar gestellt.

Wieder beschränken wir uns auf den Bereich unseres heutigen Kirchenkreises An Sieg und Rhein: Das waren 14 Kirchengemeinden im alten Kirchenkreis Bonn (1894-1968). Da dieser 18 Gemeinden umfasste, ist das der Löwenanteil; nur Bonn, Bornheim, Euskirchen und Godesberg fallen aus unserer Betrachtung vor 1945 heraus.

In Bonn selbst waren von fünf Pfarrern drei BK-Mitglieder, einer DC und Superintendent Fritz Haun selbst ‚neutral‘. Die Bonner evangelisch-theologische Fakultät, die Karl Barth im Frühjahr 1935 aus dem Dienst entlassen hatte, folgte mehrheitlich dem strammen DC-Kurs ihres Rektors Prof. Emil Pfennigsdorf.

Machthungrige Größe

Nun zu uns: Ohne die sieben von ihrer Gemeinde gewählten Pfarrer der BK verbleiben elf Pfarrer, nach denen wir jetzt fragen. Ein einziger von ihnen war nachweislich Deutscher Christ, und schlimmer als das: der kurzfristige „Bischof des Bistums Köln-Aachen“ Dr. phil. Heinrich Oberheid, eine machthungrige Größe der Thüringer Nationalkirchlichen Bewegung. Nach dem Krieg aus dem Kirchendienst entlassen, ging er bis 1960 erfolgreich ins Kohle-Stahlgeschäft. Pfarrer in Asbach war er jedoch nur von Beginn 1933 bis Ostern 1934.

Sein Nachfolger dort, Erich Scholze, war zwar loyal gegenüber seinem Vorgänger, führte die Gemeinde gleichwohl wieder in ‚neutrale‘ Gewässer zurück; 1935 sprach sogar Pfr. Dr. Heinrich Niemöller in Kircheib vor großem Publikum.

Ein zweiter extremer „Thüringer Nationalkirchler“, Pfr. Heinrich Weinmann, hatte die Kirchengemeinde Seelscheid bereits 1932 nach nur sechs Dienstjahren Richtung Pfaffendorf verlassen, was auch mit seiner Dienstauffassung zu tun hatte. Sein Nachfolger Wilhelm Langrehr, BK, wurde hier ausführlich vorgestellt. Und die anderen?

DC-Mitgliederlisten von 1933

Wann darf heute verantwortungsvoll – das heißt nach historischen Methoden korrekt – von DC-Zugehörigkeit gesprochen werden? Das ist eine diffizile Aufgabe. Die erst vor Jahren in Düsseldorf wieder aufgetauchten DC-Mitgliederlisten Gau Köln-Aachen sind Stand 1933, handgeschrieben und enthalten fast nur Presbyter und Gemeindeglieder – und sind nachweislich oft Pauschalmeldungen ohne Wissen einzelner. Spätere Listen sind nicht überliefert.

Die junge rheinische Kirchenleitung ihrerseits eröffnete nach 1946 sog. „Amtspflichtsverletzungsverfahren“ in erster Linie gegen die 37 nationalkirchlichen Pfarrer; der „gewöhnliche“ Deutsche Christ war bei „ordnungsgemäßer“ Dienstausübung davon nicht betroffen. Und Personalakten geben heute entgegen der landläufigen Meinung nur selten Auskunft über solche Einstellungsfragen.

Konservativ, staatstreu, monarchisch

Die noch zu betrachtenden zehn (gewählten) Pfarrer unseres Bereichs leisteten Dienst in Beuel, Eitorf, Honrath, Ruppichteroth, Siegburg und Troisdorf. Kein einziger von ihnen erscheint in Listen, Verfahren oder öffentlichen Auftritten mit Bezug zu den DC, auch nicht in der DC-Presse, die stets mit Namen protzte.

Damit kommen wir zum nächsten Problem. Nicht selten wurden diese Pfarrer der ‚Mitte‘ – auch abfällig ‚Neutrale‘ genannt – später in DC-Nähe gerückt. Beispiele sind Martin Thilo aus Eitorf, Dozent an der Bonner Universität, der jedoch schon 1946 völlig rehabilitiert wurde, oder Karl Theiß in Troisdorf, der jedoch seinen BK-Vikar Hermann Lührmann stets zu schützen suchte.

Dass viele Pfarrer der Mitte konservativ fühlten und staatstreu handelten, darf ihnen nicht politisch als DC-Nähe ausgelegt werden – war doch unsere gesamte Kirche in der Weimarer Republik (Evangelischer Kirchenbund) überwiegend monarchisch gesinnt.

Bekenntnis versus Gemeindefriede?

Noch eines: Pfarrer wie diese zehn, die ‚neutral‘ blieben, taten dies oft bewusst für die Einigkeit ihrer Gemeinde. Als Beispiel sei Hermann Rehmann in Ruppichteroth genannt, der einerseits von den „Braunen“ als „Pfaffe“ angefeindet wurde, andererseits in einem NS-affinen Landstrich („Robert-Ley-Ländchen“) seine Gemeinde mit einer Wendung zur BK höchstwahrscheinlich zerrissen hätte. Die Frage ‚Bekenntnis oder Gemeindefriede ‘ war auf dem Land oft nicht so einfach zu entscheiden wie im stolzen Barmen.

Damit kann es guten Gewissens beim Fazit bleiben: Nicht weniger als 16 Superintendenten, Pfarrer, Hilfsprediger und Vikare leisteten nachweislich als Angehörige der Bekennenden Kirche (BK) Dienst im Bereich unseres heutigen Kirchenkreises an Sieg und Rhein. Ohne jede Frage ist ein solcher Anteil an mutigen Theologen außergewöhnlich hoch. Diese Erkenntnis darf mit gutem Gewissen als Beispiel für Mut und Glaubensstärke stehen; die kirchliche Aufarbeitung war hier gründlicher als in manchen anderen Bereichen der Gesellschaft.

 

BK-Pfarrer

zur Porträtserie von Holger Weitenhagen