Helmut Hesse
Helmut Hesse Foto: Kirchenkreis Wuppertal

Kirchenkampf an Sieg und Rhein – Vikare Helmut Hesse und Hermann Lührmann

von Anna Neumann

10.07.2020

In Porträts wurden Pfarrer der Bekennenden Kirche (BK) im Gebiet des heutigen Kirchenkreises An Sieg und Rhein skizziert. Dazu treten aber auch Vikare. Folge 8 der Serie


Hermann Lührmann
Hermann Lührmann Foto: Archiv der EKiR

Helmut Hesse

Helmut Johannes Hesse, 1940 Vikar in Honnef, der Sohn des BK-Urgesteins Hermann Albert Hesse (1877-1957); letzterer war von 1929 bis 1950 Direktor des Predigerseminars Elberfeld und von 1934 bis 1946 Moderator des Reformierten Bundes. Helmut selbst kam 1916 in Barmen zur Welt und starb 1943 im KZ Dachau, nur 27 Jahre alt.

Der Kirchenkampfchronist Prof. Günther van Norden charakterisierte ihn so: „Ein Bekenntnispfarrer, den die Bekennende Kirche nicht ertrug.“ Helmut Hesse hatte in der Tat zwei Profile.

Einerseits gehörte er zu den wenigen BK-Theologen, die furchtlos und klar gegen die Verfolgung der Juden im Dritten Reich Stellung bezogen. Angesichts der NS-Rassegesetze 1935 trat er nicht nur aus der SA aus – in die er 1934 eingetreten war, um der HJ zu entgehen –, er setzte sich auch fortan von der Kanzel aus für die verfolgten Nichtarier ein. 1941 verglich er als Prediger den NS-Staat öffentlich mit Ninive; er war „Zeuge für Israel wie kaum ein anderer“ (v. Norden).

Auf der anderen Seite bekämpfte er innerhalb der BK Barmens jede von ihm so empfundene „Mäßigung“ derart kompromisslos, dass er ab 1941 nur noch bei seinem Vater Dienst tun konnte. Von diesem wurde er auch geprüft (2. Examen) und ordiniert – beides von der BK-Leitung nicht mehr anerkannt. Ihr hatte Hesse öffentlich „Irrwege und Unglauben“ vorgeworfen, weil sie zugunsten der Vikare überhaupt mit dem Konsistorium verhandelte.

Somit gleichsam ‚vogelfrei‘, wurde er mit seinem Vater im Juni 1943 verhaftet, verhört und ins KZ Dachau verbracht, wo er am 14. November verstarb. Grund dafür war auch der Entzug von Medikamenten gegen seinen erst kurz behandelten Hypophysentumor.

Über sein Vikariat in Honnef 1940 ist leider wenig erhalten. Dort befand er sich unter den schützenden Händen von BK-Pfarrer Edgar Boué in Königswinter, dem er persönlich anvertraut war, und von BK-Pfarrer Johannes Josten, seinem Mentor in Honnef. Diese beiden starken Persönlichkeiten haben offensichtlich sein Temperament gut im Griff behalten und ihn vor Ort ausgebildet – zum allseitigen Nutzen.

Hermann Lührmann

Der andere Vikar ist Hermann Johannes Lührmann, von November 1933 bis Juli 1934 in Troisdorf eingesetzt. Geboren war der Lehrersohn am 19. Juni 1909 in Mülheim-Broich; er besuchte das Gymnasium in Duisburg-Ruhrort und von 1928 bis 31 die Universitäten Bethel, Tübingen, Erlangen und Bonn. Sein 1. Theol. Examen legte er noch vor dem Koblenzer Konsistorium ab, das 2. dagegen 1936 bei der BK in Barmen.

Nachdem ihn das Konsistorium auf Grund seiner klaren BK-Haltung in Troisdorf im August 1934 aus dem Dienst entlassen hatte, wanderte er über das Elberfelder Predigerseminar durch Dienste in Bonn, Wülfrath, Wanheim-Angerhausen, Neukirchen-Vluyn und Mettmann, bis er 1940 Soldat werden musste, da alle Zehen verlor und 1942 einen Beschäftigungsauftrag in Wald erhielt. 1947 endlich wurde er Pfarrer in Kröffelbach bei Braunfels, wo er im Jahr seiner Emeritierung 1973 verstarb.

Sein Vikariat in Troisdorf leistete er bei Pfarrer Karl Theiß; es kann als Beleg dafür dienen, dass jener kein Sympathisant der Deutschen Christen war – wie ihm zuweilen vorgeworfen. Theiß, mit 36 Jahren Stehzeit auf der Pfarrstelle (bis 1948) ein Troisdorfer ‚Urgestein‘, hielt bei aller politischen Neutralität stets seine schützende Hand über den rebellischen Lührmann und beurteilte ihn sehr gut: „sorgfältig, gewissenhaft, fleißig“, wobei er selbst seine Troisdorfer Kirchengemeinde auf einem ungewöhnlich hohen Stand hielt.

Erst als das Konsistorium Lührmann wegen „Widersetzlichkeit gegen die Kirchenbehörde und deren Maßnahmen“ aus dem Dienst der Rheinischen Kirche warf, waren die Möglichkeiten von Theiß erschöpft.

Mag Hermann Lührmann auch stets als ein streitbarer und schwieriger Theologe gegolten haben – in der Ehrentafel der BK steht er in der damaligen Bonner Synode neben Edgar Boué, Wilhelm Hartig und Ernst Rentrop an vorderer Stelle.

Beitrag: Holger Weitenhagen