Dose, gefüllt mit Apfelstückchen
Dose, gefüllt mit Apfelstückchen

Wie Corona den Kita-Alltag bestimmt – Ein anstrengendes Jahr

von Anna Neumann

14.12.2020

Manches geht nicht. Zusammen frühstücken und ein Apfelstück eintauschen gegen Weintrauben? Pustekuchen. In den Kindertagesstätten gehören coronabedingte Einschränkungen längst zum Alltag.


Jetzt, mit dem neuen harten Lockdown, müssen die Kids erst recht weiter durchhalten.

Lea ist dreieinhalb. Für sie war es normal, beim gemeinsamen Frühstück in der Kita auch mal Obst aus der Nachbar-Brotdose zu kosten. Im neuen Normal geht das nicht. „Wir dürfen das nicht wegen Corona“, kommentiert das Mädchen die heutigen Regeln. Ihr ist das eine bloße sachliche Feststellung wert, keine Klage.

Lea beschwert sich durchaus schon einmal, erzählt ihre Mutter Ute Friederich. Zum Beispiel, wenn ihr nicht gefällt, dass die Kochecke gegen die Puppenecke ausgetauscht wird. Größere Spielzeuge werden in schöner Regelmäßigkeit gewechselt, es soll nicht immer alles bereitstehen. Aber dieser Wechsel hat ja nichts mit Corona zu tun.

Gut eingefunden

Wie belastend ist Corona für die Kitas, die Kids, ihre Eltern, die Mitarbeiter*innen? Lea aus dem Evangelischen Familienzentrum Menschenkinder in Sankt Augustin-Niederpleis hat sich relativ gut eingefunden, erzählt ihre Mutter. „Ich glaube, Kinder können sich mit größerer Selbstverständlichkeit auf geänderte Rahmenbedingungen einstellen als Erwachsene das manchmal können.“

Bekommen sie etwas vorgelebt, dann machen sie es einfach. Gerade auch, wenn es nicht groß problematisiert wird, weder von Erzieherinnen noch von Eltern. „Das macht es ihnen leichter“, so die 36-Jährige.

Regelbetrieb und erneuter Lockdown

Die Kinder nehmen Einschränkungen, die wegen der Corona-Pandemie notwendig sind, weitgehend klaglos hin, bestätigt auch Stephanie Kola, Leiterin des Referats für Kindertagesstätten im Kirchenkreis An Sieg und Rhein. Weil bzw. obwohl die Kitas selbst während des Regelbetriebs „meilenweit entfernt vom Regelbetrieb“ waren.

So ähnlich fasst es auch Silvia Franken zusammen, Leiterin der Fachberatung evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder in den Kirchenkreisen An Sieg und Rhein, Bad Godesberg-Voreifel und Bonn: „Wir sind weit entfernt von einem Regelbetrieb.“ NRW-Familienminister Joachim Stamp formuliert in einem Brief an die Kita-Eltern so: „Der Regelbetrieb ist ein Pandemiebetrieb.“ Jetzt ist der „Regelbetrieb“ neuer harter Lockdown – die Kitas bleiben zwar geöffnet, doch alle Eltern sind gebeten, wenn irgendwie möglich ihre Kinder zu Hause zu behalten.

Corona-Schutz geht vor

Seit Mitte August galt dieser Regel- bzw. Pandemiebetrieb. Im Alltag musste vieles anders laufen als früher. Corona-Schutz first.  Immer wieder mussten die Mädchen und Jungen in festen Gruppen verbleiben, häufig waren offene Konzepte ausgesetzt, wenn lokale Inzidenzwerte zu hoch waren, berichtet Kita-Referatsleiterin Stephanie Kola. Der Anpassungsdruck blieb tagtäglich hoch.

Ute Friederich: „Das Jahr war mit seinen Herausforderungen für alle besonders anstrengend und auch vielen Eltern geht auf den letzten Metern die Puste aus. Urlaubstage sind aufgebraucht, der Arbeitgeber vielleicht wenig verständnisvoll und Großeltern sind entweder nicht vor Ort oder zählen zur Risikogruppe.“ Die aktuelle Regelung aus dem NRW-Familienministerium welze die Verantwortung auf die Eltern und ein Stück weit auch auf die Kitas und Träger ab. „Dabei sitzen wir doch eigentlich in einem Boot. Das ist etwas, was mich wirklich sehr ärgert.“

Alltagshelferinnen als Unterstützung

Dankbar ist Stephanie Kola für die Alltagshelferinnen, die in den Kitas mitarbeiten – eine gute Unterstützung bei den verschiedenen zusätzlichen Schutz-Aufgaben, insbesondere beim Einhalten der Hygienemaßnahmen und Verteilen des Mittagsessens. Umso besser, dass NRW das Alltagshelferprogramm bis Ende Juli 2021 verlängert.

Aus dem Düsseldorfer Familienministerium kamen noch einmal Masken, auch das weiß Stephanie Kola zu schätzen. Zwar reichte die Zahl nicht aus, aber zum Glück lieferte die Diakonie Rheinland Westfalen Lippe weitere Masken.

Fachkräftemangel spitzt sich zu

Corona bewirkte in den vergangenen Monaten Abstriche, in vielerlei Hinsicht. Bringen und Abholen der Kids draußen an den Kita-Türen bindet Zeit und Kraft. Personalressourcen schmelzen, weil es natürlich unter den Mitarbeitenden auch Menschen aus Risikogruppen gibt. Silvia Franken von der Kita-Fachberatung der drei Kirchenkreise im Großraum Bonn klagt: „Der Fachkräftemangel hat sich durch die Pandemie vielerorts zugespitzt und verschärft die Betreuungssituation.“

Das bekommt Ute Friederich mit, auch weil sie sich im Elternrat von Leas Kita engagiert. Fluktuation beim Personal, immer mal wieder auch Ausfälle wegen Krankheit, eine nicht einfache Suche nach Fachkräften – „im Großen und Ganzen fehlen Fachkräfte“, weiß die Social-Media-Managerin, die derzeit mit dem zweiten Kind in Elternzeit ist. Am langen Ende wirke sich das negativ aus. Alles in allem gehe ein für alle anstrengendes Jahr zu Ende.

Wichtig ist der Umgang mit anderen Kindern

Aber, betont Ute Friederich, „wir hatten noch keinen Verdachtsfall, bis zum Lockdown im Dezember musste keine Gruppe geschlossen werden, es geht uns vergleichsweise gut, das ist nicht selbstverständlich, wir haben Glück“.

Auch weil anderes so wichtig ist. Im Frühjahr, in der allerersten Zeit der kompletten Schließung, hatte Lea die Kita schwer vermisst. Ute Friederich: „Ihr hat vor allem der Umgang mit anderen Kindern gefehlt. Das kann man zuhause nicht kompensieren.“

Hier eine Grenze, dort eine neue Chance

„Natürlich ist alles schwieriger zu organisieren“, sagt die zweifache Mutter. Dass die Kinder in der Kita an manchen Stellen in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt sind, zum Beispiel weil sie sich das Essen nicht mehr selbst nehmen oder den Tisch abdecken dürfen, bedauert sie.

Andererseits entstünden an anderer Stelle unerwartete neue Chancen für Selbstständigkeit, zum Beispiel dadurch, dass Eltern die Kitas nicht mehr betreten dürfen. Lea und die anderen ziehen jetzt selbst ihre Jacken und Schuhe an, schnappen sich ihren Rucksack. Als Eltern hätte man es beim Abholen ja nie gemusst, doch oft einfach geholfen. „Das ist positiv.“

Eltern besser auf dem Laufenden halten

Zwei Seiten einer Medaille: Dass Eltern draußen bleiben müssen, Zutritt nur bis an die Tür, das missfällt. So bekommen Eltern vom Alltag nicht mehr viel mit, „das fehlt mir definitiv“. Der Elternrat der Menschenkinder hat deshalb vorgeschlagen, auf großformatigen Plakaten notieren zu lassen, was in den Gruppen gemacht wurde, um die Eltern besser auf dem Laufenden zu halten. Ute Friederich: „Aber das ersetzt nicht alles“, also das persönliche Gespräch mit Erzieherinnen über die Kinder.

Ute Friederich sagt es zusammenfassend so: „Wir hatten bisher Glück und ich hoffe, dass wir nach dem aktuellen Lockdown im neuen Jahr erst einmal zum Status des Herbsts 2020 zurückkehren können, bevor es 2021 dann hoffentlich langsam wieder bergauf geht.“

Hinweis für Medien

 

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