Schuldenberg wächst

von Anna Neumann

19.05.2022

Der ungefähr vier Meter hohe symbolische Berg Schulden steht da wie ein Mahnmal, weithin sichtbar auf dem Bonner Markt. Arme überschuldete Länder benötigen einen Schuldenerlass, fordert Erlassjahr.de.


„Herr Lindner, was sagen Sie zu unseren Forderungen?“ Diese Frage weht der Wind am Abend herüber, als der deutsche Finanzminister eintrifft, auf dem Weg ins Alte Rathaus. Für einige Minuten geht Minister Christian Lindner zu den Leuten von Erlassjahr herüber und spricht mit ihnen.

Anlass der Schuldenberg-Aktion ist das Treffen die Finanzminister*innen der G7-Staaten auf dem Petersberg in Königswinter. Deshalb hat das deutsche Entschuldungsbündnis erlassjahr.de mit der Aktion in Bonn auf die Gefahren der aktuellen Schuldenkrise im Globalen Süden aufmerksam gemacht.

Nachhaltige Entwicklung bedroht

Ohne umfassende Schuldenerlasse sind die international vereinbarten Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 laut dem Bündnis unerreichbar. Die G7-Regierungen müssen auch private Gläubiger wie Banken und Fonds zur Beteiligung an diesen Erlassen verpflichten.“ Für die Minister aus den anderen Ländern hatte erlassjahr.de auch nochmal auf Englisch auf ein Transparent geschrieben: „Cancel the Debt!“

Zuvor, am späten Mittag, errichtete ein Trauerzug aus schwarz gekleideten Menschen ein Kreuz mit der Inschrift „R.I.P. Agenda 2030“ auf dem Gipfel des Berges. Redner*innen von erlassjahr.de machten die dramatischen Auswirkungen der Schuldenkrise auf Länder wie Sri Lanka oder Sambia deutlich. Auf bunten Schildern formulierten Aktivist*innen die Forderung an die G7, sich für globale Gerechtigkeit und faire Entschuldung einzusetzen.

Schuldenkrise spitzt sich zu

Kristina Rehbein von erlassjahr.de: „Bereits jetzt sind 135 von 148 Ländern im Globalen Süden kritisch verschuldet. Schon vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine warnten der Internationale Währungsfonds und die Weltbank vor einer humanitären Krise in Ländern des Globalen Südens. Die anhaltenden Folgen der Pandemie, steigende Zinsen und die durch den Krieg ansteigenden globalen Nahrungsmittel- und Energiepreise verschärfen die Verschuldungssituation nun noch weiter.“

Geld fließe in den Schuldendienst, fehle dann für soziale Bereiche wie Gesundheit, Bildung, Armutsbekämpfung oder Infrastruktur . Rehbein: „Das geht zu Lasten der Bevölkerung in den betroffenen Staaten – und spült gleichzeitig Profite in die Taschen der Gläubiger, die sich nicht an Umschuldungen beteiligen.“

Private Gläubiger zu Schuldenerlassen verpflichten

Die G7-Staaten selbst treten nur in geringem Umfang als Gläubiger der Länder im Globalen Süden auf. Ein Großteil der privaten Gläubiger, die mehr als 60 Prozent aller Forderungen gegenüber Mittel- und Niedrigeinkommensländern halten, ist jedoch in den Mitgliedsstaaten der G7 ansässig. So etwa die Investmentgesellschaft BlackRock in New York oder die DWS Investment Group in Frankfurt am Main.

Die Einbeziehung privater Gläubiger in Schuldenerleichterungen sei daher unverzichtbar, betonte Malina Stutz von erlassjahr.de: „Eine nachhaltige Lösung kann nur gefunden werden, wenn auch sie zu Schuldenerlassen verpflichtet werden. Hier haben die G7-Staaten eine klare Verantwortung. Sie könnten ein wichtiges Zeichen setzen, indem sie entsprechende nationale Gesetze erlassen.“ Diese Forderung habe zuletzt auch IWF-Chefin Kristalina Georgieva erhoben.

G7-Staaten müssen handeln

erlassjahr.de fordert die Finanzminister*innen der G7-Staaten darüber hinaus auf, endlich weitreichende strukturelle Maßnahmen einzuleiten, die allen kritisch verschuldeten Staaten den Zugang zu fairen und rechtsstaatlichen Umschuldungsverfahren ermöglichen. Nötig sei ein Insolvenzverfahren für Staaten, so wie es die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hat.

Die Aktion in Bonn fand im Rahmen der bundesweiten Kampagne „Globale Gerechtigkeit #stattSchuldendienst“ statt. Die Kampagne wird von zahlreichen lokalen und überregional tätigen Partnern unterstützt, darunter der Kirchenkreis Bonn und das Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene. Auch der Evangelische Kirchenkreis An Sieg und Rhein unterstützt die Anliegen.

Der Bonner Superintendent Dietmar Pistorius sprach auch vor dem Schuldenberg auf dem Bonner Markt: „Zu viele Schulden töten!“ Pistorius erinnerte daran, dass in der Bibel der Schuldenerlass aus guten Gründen ein Gebot Gottes sei, um Menschen zu befreien und Neuanfänge zu ermöglichen. Das gelte nicht nur im persönlichen Bereich, sondern auch für die Weltwirtschaft.

„Keine konkreten Beschlüsse“

Zum Abschluss des G7-Finanzminister-Treffens zieht Erlassjahr diese Bilanz: „Neben den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs stand auch die Schuldenkrise im Globalen Süden auf der Agenda. In ihrem Communiqué erkennen die Minister*innen die Notwendigkeit besserer Entschuldungsverfahren an, fassen jedoch keine konkreten Beschlüsse.“

Link

erlassjahr.de