Birgit Rößle-König
Pfarrerin Birgit Rößle-König

Pfarrerin für Digitale Kirche: Hilfe, Freude und Balsam für die Seele

von Anna Neumann

29.01.2021

Birgit Rößle-König ist die neue Pfarrerin für Digitale Kirche im Evangelischen Kirchenkreis An Sieg und Rhein. Ihre Pläne stellt sie im Interview vor.


Warum gibt es jetzt eine Pfarrerin für Digitale Kirche?

Erste Aufgabe einer ordinierten Pfarrerin ist es, das Evangelium öffentlich zu leben und zu verkündigen. Kirchliche Kommunikation ist heute vielfältig geworden. Sie findet weiterhin in den Kirchengemeinden mit der persönlichen Bindung statt.

Ich kenne viele Menschen, die gerne Kirchensteuern zahlen, Kirche wichtig finden, sich als religiös empfinden, aber dennoch den Weg zu ihrer Orts-Kirchengemeinde nicht gehen. Wo kann ich sie also erreichen? Sie wollen ja erreicht werden.

Deshalb bin ich Pfarrerin für Digitale Kirche. Denn hier sind viele von diesen suchenden Menschen unterwegs und erreichbar. Wir wollen im Grunde, dass Kirche als „Alltagsbegleiterin“ erlebt werden kann. Der Geist weht ja auch, wo er will…, heißt es in der Bibel.

Dass wir heute selbstverständlich über digitale Medien nahe sind, kennen und schätzen viele bereits: Die Kirche verbreitet jede Woche Online-Newsletter, Kirchengemeinden, Kirchenkreis und alle anderen Angebote haben Websites, einige haben auch Instagram- und Youtube-Kanäle. Das alles wollen wir in der Region stärken und ich möchte speziell als Pfarrerin in, mit und für den Kirchenkreis Angebote machen.

Was ist Ihnen gerade an dieser Aufgabe wichtig?

Ich will als Pfarrerin den Menschen nahe sein. Ich will mit ihnen gemeinsam meine Arbeit aufbauen und gestalten. Was brauchen sie? Was können wir miteinander machen? Was soll ich anbieten? Es gibt so vielfältige Möglichkeiten und ich habe Freude daran, es einfach auszuprobieren. Wenn wir dadurch Menschen Hilfe, Freude und Balsam für die Seele im Alltag sein können, bin ich glücklich.

Was ist Ihre spezielle Ausrichtung?

Es gibt zwei Schwerpunkte:

Der eine ist die Hilfe und Unterstützung von Evangelischen Kirchengemeinden. Manche haben tolle, fitte Menschen vor Ort gefunden, die mithelfen. Andere machen sich auf den Weg und freuen sich, wenn sie um Unterstützung bitten können für ihre Vorhaben. Das können Fragen zu Technik und Software sein oder wie man so ein langfristiges Vorhaben strategisch plant. Für viele Fragen habe ich auch schon auf der Homepage der Evangelischen Erwachsenenbildung Hilfestellungen gegeben. Zum Glück bin ich da nicht allein, sondern wir werden als Team Hilfen für die digitalen Projekte der Kirchengemeinden geben können. also verbunden mit der Öffentlichkeitsarbeit und mit der Expertise in digitaler Bildung in der Evangelischen Erwachsenenbildung.

Wir haben außerdem dank der Evangelischen Kirche in Deutschland ein Digitallabor in Siegburg aufbauen können. Hier kann man gemeinsam etwas ausprobieren, zum Beispiel testen, welche Mikrofone man für was braucht oder wie man erst auf einem grünen Hintergrund alles filmt und den dann gegen andere Bilder austauschen kann. Dann steht die Person plötzlich in der Karibik.

Der andere Schwerpunkt ist, dass ich auch genuine Aufgaben einer Pfarrerin übernehmen möchte – nur eben digital.

Wir werden ausprobieren, was Menschen im Moment an digitaler Begleitung suchen und wünschen. Wie können wir gute Alltagsbegleiterinnen sein? Es geht wirklich um ein Miteinander, um gemeinsam das ins Netz zu bringen, was Suchende wünschen.

Zunächst möchte ich eine digitale Form der Andacht auf Instagram anbieten. Wir denken an so viele Menschen, senden gute Gedanken, machen uns Sorgen um sie. Damit das einen Ort hat, kann man jeden Dienstag von 18 bis 18.45 Uhr mit anderen in ruhiger Atmosphäre an diese Menschen denken und für sie beten. Ich habe einen großen Kerzenständer gefunden. Er erinnert an einen Altar. Man kann sich dann bei mir melden, damit ich hier an diesem Kerzenständer ein Licht anzünde. Das kann anonym passieren. Das Wichtige ist ja nur, dass die Person eine Form des An-die-Person-denken-und-für-sie-beten findet. Es ist also eine Fürbittenandacht. Ganz ruhig, nur mit diesen Kerzen und einem Gebet am Ende.

Zum andern möchte ich zeigen, was für wunderbare Menschen ehrenamtlich aus ihrem Glauben heraus in unserem Evangelischen Kirchenkreis machen. Ich freue mich gerade wegen dieser Menschen so sehr, zu dieser Gemeinschaft zu gehören und bin stolz auf uns. Wir sollten mehr voneinander wissen. So viele von uns sind ehrenamtlich engagiert. Ich möchte diese kurzen Interviews „Herzenssache“ nennen.

Dann wird es immer wieder digitale Projekte geben. Wichtig ist mir für dieses Jahr, dass wir zum Jubiläumsjahr „1700 Jahre Judentum in Deutschland“ beitragen.

Das ist keine Ein-Frau-Show. Ich brauche für alles viel Austausch mit Menschen, die sich etwas von uns wünschen und von Menschen, die bei digitalen Vorhaben gern unterstützen wollen.

Ich stelle mir vor, dass wir mehrere Menschen sind aus verschiedenen Bereichen, die eine Art „Sprechstunde“ anbieten. Digitale Vorhaben und Herausforderungen können berichtet werden. Wer kann, gibt Tipps oder hilft auch vor Ort.

Wer soll sich konkret bei Ihnen melden?

Auf jeden Fall die, die etwas ausprobieren wollen. Wir werden so gut wie möglich mit unserem Wissen oder auch mit unserem Digitallabor helfen. Damit dieser Wissenspool immer größer wird, freue ich mich über alle, die bereit wären, bei solchen Beratungen mitzuhelfen. So ein Team wäre großartig. Ich wünsche mir Hinweise, welche Ehrenamtliche für die Rubrik „Herzenssache“ interviewt werden sollen. Auf wen sind sie stolz in der Evangelischen Kirchengemeinde für seinen oder ihren Einsatz? Dann sollten wir das doch filmen und anderen zum Herzerwärmen zeigen.

Ich freue mich auf diese noch formbare Aufgabe. Und hoffe, dass viele mitmachen und viele es auch genießen und nutzen.

 

ZUR PERSON

Pfarrerin Birgit Rößle-König (50) absolvierte ihr Vikariat in Wuppertal und arbeitete danach als Pfarrerin zur Anstellung in Bonn. Dann folgten zwölf Jahre Arbeit in Stiftungen: Sie hat in Siegburg die HIT-Stiftung (heute Kurt und Maria Dohle Stiftung) aufgebaut, um vor allem jungen Menschen eine Zukunftsperspektive zu eröffnen. In der Robert-Bosch-Stiftung war sie für den Demografischen Wandel, für ein positiveres Altersbild und für innovative Projekte im Bereich Demenz zuständig. Schließlich hat sie in der Dr. Hans Riegel-Stiftung in Bonn den Truck „Touch Tomorrow“ entwickelt, das heißt digitale Arbeitsformen der Zukunft in einer pädagogischen Form für Jugendliche mit Stationen im Truck erlebbar gemacht. Weil sie wieder als Pfarrerin arbeiten wollte, wechselte sie im April 2018 in eine Elternzeitvertretung als Pfarrerin für Menschen mit Behinderung im Evangelischen Kirchenkreis An Sieg und Rhein. Nun fördert sie seit November 2019 auf einer landeskirchlichen Pfarrstelle Digitale Kirche in Kirchenkreis An Sieg und Rhein. Sie ist mit Christoph König, Pfarrer i.R., verheiratet und lebt in Siegburg.