Ji-Ung Lim Foto: E.J.Park

Pfarrer am Schnittpunkt zweier Welten

von Redaktion EKASuR

29.07.2022

Ji-Ung Lim überschreitet kulturelle Grenzen – jeden Tag. Zum einen ist der 44-Jährige seit 2020 Pfarrer in Probezeit der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR).


Zugewiesen ist er der Kölner Philippus-Kirchengemeinde. Seit mehr als zwanzig Jahren ist dort auch die koreanische Hanbit-Gemeinde beheimatet. Für sie arbeitet Pastor Lim ebenfalls mit einer halben Stelle – seit 2019 als Hauptpastor. Sein Auftrag von beiden Seiten: Brücken bauen und Verbindungen schaffen. Mit ihm sprach Pfarrer Stefan Heinemann.

 

Sind Sie ein Wanderer zwischen zwei kulturellen Welten?

Ja, ganz sicher. Ich bewege mich ständig zwischen zwei Welten hin und her – beruflich und auch privat. Denn ich bin als Kind koreanischer Eltern in Deutschland geboren. Meine Frau stammt aber aus Korea. Unsere beiden Kinder wachsen bilingual und bikulturell auf. Wir verstehen das als ein großes Geschenk Gottes: Zweisprachig und bikulturell aufzuwachsen – das ist ein Schatz für’s Leben. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Wie sind Sie aufgewachsen?

Ich gehöre zur ‚SecondGen‘, zur zweiten Generation koreanischer Einwanderer. Aufgewachsen bin ich in Duisburg. In Münster habe ich Theologie studiert. Insofern bin ich mit deutscher Kultur und Theologie sehr vertraut. Aber aus meinem Elternhaus kenne ich auch die koreanische Kultur sehr gut – und in der christlichen koreanischen Gemeinde bin ich aufgewachsen.

Nun sind Sie Pfarrer einer deutschen und einer koreanischen Gemeinde. Wie bringen Sie Menschen zueinander?

Wir haben zwei Kennenlernabende veranstaltet und einander unsere Gemeindegeschichte erzählt. Corona­bedingt fand das per Zoom statt, war aber wirklich gut besucht. Beim gemeinsamen Jugendtag mit koreanischem Essen sollten die Jugendlichen ein Gespür für unterschiedliche Kulturen bekommen – und dass wir trotzdem eins sind. Und der gemischte Chor soll noch in diesem Jahr, nach Corona, die Probenarbeit aufnehmen.

Und die Gottesdienste?

Seit zwei Jahren finden regelmäßig gemeinsame Gottesdienste statt – zum Beispiel Welcome-Gottesdienste für Kirchendistanzierte, die von der Hanbit-Gemeinde sehr gerne mitgestaltet werden. Denn in der koreanischen Gemeinde gibt es viele gute Musiker. Ein Erfolg ist auch der Kanzeltausch: Mein Kollege Klaus Eberhard predigt im koreanischen Gottesdienst zwar auf Deutsch. Aber seine Predigt wird vorab übersetzt und auf die Leinwand projiziert. Diese Gottesdienste sind gut besucht.

Bei welcher Zielgruppe gelingt es am besten, Menschen beider Gemeinden zusammenzubringen?

Tatsächlich eher bei den Jüngeren. Die sind zum einen offener für den Austausch, aber auch sprachlich gewandter, um sich auf Deutsch auszudrücken.

Ihre Anstellung ist Teil eines Prozesses zur interkulturellen Öffnung in der EKiR. Was verspricht der Prozess?

Die Idee dahinter ist, dass ein Pastor einer Migrantengemeinde die Strukturen der EKiR von innen kennenlernt – und nachher Pfarrer der Landeskirche wie einer Migrantengemeinde sein kann. Darüber hinaus ist es aber wirklich ein Experiment mit offenem Ausgang

Und welche Hoffnungen verbindet die Hanbit-Gemeinde mit diesem Experiment?

Als Hanbit-Gemeinde wollen wir Assoziationsgemeinde der Landeskirche werden. Das würde zu gegenseitiger Bereicherung führen. Mein persönliches Ziel ist es, dass wir einander bereichern. Die koreanische Gemeinde möchte nicht assimiliert, nicht aufgesaugt werden. Aber für die Landeskirche lohnt sich der enge Kontakt zu einer Gemeinde, die andere geistliche Gaben hat.

Was könnte die Landeskirche von koreanischen Gemeinden lernen?

Die EKiR ist gut aufgestellt in Struktur und Organisation. Aber in den Migrantengemeinden sind Spiritualität und Frömmigkeit anders geprägt – lebendiger und aktiver? In Migrantengemeinden ist der Blick eher nach innen gerichtet – auf die eigene Gemeinde und auf die persönliche Beziehung zu Gott. In landeskirchlichen Gemeinden geht der Blick schnell nach außen – auf die Gesellschaft und das soziale Wirken. Und in Migrantengemeinden ist der „Mission drive“ stärker ausgeprägt: der Wunsch, andere Menschen mit dem Glauben an Jesus zu erreichen.

Heute haben ein Viertel aller Bewohner*innen Deutschlands einen Migrationshintergrund. Warum ist es wichtig, dass Kirche interkulturelle Grenzen überschreitet?

In einer multikulturellen Gesellschaft haben viele Menschen eine Geschichte mit Migration – aber auch diese Menschen muss Kirche ansprechen können. Sie darf nicht monokulturell, sondern muss einladend für alle sein. In meinen Augen spiegelt die Landeskirche aktuell nicht die Gesellschaft wider: Weder die Gemeindeglieder noch die Pfarrer sind ein repräsentativer Durchschnitt der deutschen Gesellschaft.

Zwei Jahre dauert die Probezeit als rheinischer Pfarrer. Danach wird Ihnen die Anstellungsfähigkeit verliehen und Sie können eine Pfarrstelle irgendwo in der EKiR übernehmen. Wo wird Ihre Reise Sie hinführen?

Das weiß ich selber noch nicht genau. Aber ich möchte weiter Brückenbauer sein, nämlich verschiedene Kulturen zusammenbringen – wo auch immer das dann sein mag.

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