Ostervideo – Grenzerfahrungen und Entgrenzung, Tod und Auferstehung
von Anna Neumann
07.04.2021
Gleich sind wir da. Urlaub vor der Nase. Ich schalte runter. Wir sind an der Schweizer Grenze. Ich lasse mein Seitenfenster runter. Der Grenzer wirft einen Blick ins Auto, schon winkt er uns durch.
Geschafft!
Eine Sache von Sekunden, diese Grenzüberschreitung.
Ein Akt der höflichen Freundlichkeit, diese Grenzerfahrung.
Ist ja eine weiche, durchlässige Grenze, an der Frieden herrscht.
An anderen Grenzen geht es zurzeit schlimm zu. Die Ukraine ist Schauplatz gewaltsamer Grenzverletzungen.
Demarkationslinien.
Korridore.
Frontlinien.
Schussfelder.
Mitten in Europa.
Da sterben Menschen, weil Menschen Krieg führen.
Und unsere Illusionen sind zerstört, als seien die Grenzen in Europa unverrückbar. Als seien Grenzen stets Ausdruck friedlicher Nachbarschaft und gelungener Koexistenz. Nein, hier haben wir es mit Stacheldraht bewehrten Grenzen, mit Schützengräben und Barrikaden zu tun.
Grenzen bewegen sich, je nach militärischem Fortschritt. Es sind blutige Grenzen. Sie markieren die denkbar härteste Abgrenzungslinie, an der es um Belagerung, Angriff, Verteidigung, letztendlich um Leben und Tod geht.
Ukraine heißt übersetzt Grenzland.
Ich stehe hier auf dem Friedhof. Das ist auch so ein Grenzland.
Die Grenze, die hier gezogen wird, verläuft zwischen Tod und Leben.
Daran erinnert uns der Grabstein. Nach seiner Herkunft kommt er von dem Grenzstein. Ein Grenzstein markiert die Grenze zwischen zwei Regionen. Und wenn zwischen diesen beiden Regionen Frieden herrscht, dann wurde der Grenzstein als Zeichen des gegenseitigen Friedens von beiden Seiten geschmückt und bepflanzt.
Und genauso ist es beim Grabstein: Der Grabstein ist ebenfalls ein Grenzstein, er markiert die Grenze zwischen Leben und Tod, zwischen unserem irdischen und unserem himmlischen Leben, das Gott uns verheißen hat.
Und wenn wir einen Grabstein bepflanzen, ein Grab schmücken, eine Kerze an der Grabstätte entzünden oder sie einfach nur besuchen, so ist das eben auch ein Ausdruck dieses Friedens: Es herrscht Frieden zwischen diesen beiden Regionen, zwischen dieser Grenze: zwischen dem Leben und dem Sterben.
Warum? Weil Gott definitiv Frieden für uns geschlossen hat. Dafür steht das Kreuz Jesu und seine Auferstehung, die wir an Ostern feiern. Denn er hat die Grenze des Todes überwunden, indem er uns vorausgegangen ist auf unserem letzten Weg durch den Tod. Und damit Frieden gemacht hat. Nicht mit Gewalt, sondern mit der Ohnmacht seiner Liebe.
Das ist unsere Hoffnung und unser Glaube: das Ende ist kein Ende. Am Schluss ist nicht Schluss. Der Tod markiert eine Grenze, auf die Gott seinen Frieden gelegt hat. Weil er kommt und mit ihm das Leben in der Auferstehungskraft Jesu. Also: es geht von Leben zu Leben. Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!
Darum gilt unser Ostergruß der ganzen Welt mit all ihren Grenzen: „Friede, Friede, denen in der Ferne und denen in der Nähe.“ (Jes. 57,18ff) Frohe Ostern!