Die Teilnehmenden der Partnerschaftskonsultation 2023 in Bonn Foto: Petrus Sugito/VEM

Mit Partner*innen aus Indonesien und Tansania grundsätzlich über Partnerschaften diskutiert

von Redaktion EKASuR

01.06.2023

„Ihr seid das Salz der Erde und das Licht der Welt“ – unter diesem Motto fand eine internationale Partnerschaftskonsultation der VEM mit Kirchen aus Deutschland, Indonesien und Tansania in Bonn statt.


Mit der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) versammelten sich Vertreter*innen der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), der evangelischen Kirche Huria Kristen Batak Protestan (HKBP) aus Indonesien sowie der Nordwest-Diözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania. Die 69 Teilnehmenden diskutierten über die aktuellen Herausforderungen kirchlicher Partnerschaftsarbeit.

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass internationale Kirchenpartnerschaften neue spirituelle Lernerfahrungen, Freundschaften und eine interkulturelle Horizonterweiterung ermöglichen. Seit der internationalen Partnerschaftskonsultation der VEM vor rund zehn Jahren in Parapat (Indonesien) wurde eine erfreuliche Entwicklung hin zu mehr Transparenz in den Partnerschaftsbeziehungen und -projekten sowie eine Stärkung finanzieller, personeller und theologischer Ressourcen für die kirchliche Mission auf globaler und lokaler Ebene festgestellt.

Dies fand auch ihren Ausdruck in gemeinsamen kirchlichen Großveranstaltungen, wie anlässlich des Reformationsjubiläums in 2017, in Kirchen- und Missionstagen sowie in Austauschprogrammen von beispielsweise Jugendgruppen und Chören. Positiv bewertet wurden außerdem die Zunahme von trilateralen Partnerschaften über alle Regionen hinweg und die vielfältige schwester- und brüderliche Unterstützung während der Covid-19-Pandemie.

Asymmetrie kirchlicher Partnerschaften

Gleichzeitig wurde festgestellt, dass kirchliche Partnerschaftsbeziehungen zum Teil heute weiterhin paternalistische Züge aufwiesen und von einem wirtschaftlichen Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd geprägt seien. Diese Merkmale könnten sich negativ auf die Partnerschaftsbeziehungen auswirken, wenn sie Abhängigkeiten zementieren und Dominanzverhalten sowie Unter- bzw. Überlegenheitsgefühle bei den Partnerschaftsengagierten fördern. Die gängige Praxis der finanziellen Unterstützung von Projekten der Partnerkirchen im Globalen Süden berge die Gefahr, dass die Menschen vor Ort zwar kurzfristig profitierten, aber neue Abhängigkeiten entstehen.

Stereotypisierung, Rassismus und Kolonialismus in Partnerschaftsbeziehungen würden von deutschen Partnerschaftsgruppen nicht immer thematisiert, da man davon ausgehe, dass die Partnerschaft auf Augenhöhe läuft. Es werde auch nicht erkannt, wenn Partnerschaftsbeziehungen ein Verhältnis von „Wir“ und „die Anderen“ aufwiesen, das aus vorurteilsbehafteten Verhaltensweisen entstehen könne. Auch in der Partnerschaftsarbeit sei das einfache Weltbild von dem rationalen demokratischen Europa und dem korrupten hilfsbedürftigen Afrika und Asien anzutreffen.

Paternalistische Gedankenmuster aufdecken

Volker Martin Dally, Generalsekretär der VEM, wies in seinem Vortrag darauf hin, dass sich paternalistische Gedankenmuster mit Hilfe von praktischen Fragen auf beiden Seiten aufdecken ließen: „Wer hat die Brücke gebaut? Wessen Hand ist oben? Wer legt die Agenda fest? Wer definiert die Ziele?“

Paternalistische Verhaltensweisen seien auch daran zu erkennen, wenn überlegenes Denken vorherrsche und Experten aus dem Globalen Süden wie Kinder behandelt und Ideen aufgedrängt würden. Dies führe zu unbefriedigenden Reaktionen auf beiden Seiten. „Solidarität ist mehr als Hilfe. Wenn Finanzen die Themen bestimmen, dann stirbt die Gleichheit“, so Dally.

Nicht immer Begegnung auf Augenhöhe

Ephorus Dr. Robinson Butarbutar, Leiter der größten evangelischen Kirche Indonesiens, bemerkte, dass eine Begegnung auf Augenhöhe nicht immer stattfinden könne, wenn Kirchenleitende aus Afrika und Asien nicht zum Gespräch mit Kirchenleitenden aus Deutschland, sondern mit ihren nachgeordneten Stellvertreter*innen eingeladen würden.

Nach Ansicht des indonesischen Theologen sind kirchliche Partnerschaften zudem so zu verstehen, dass sie der Verbreitung des Evangeliums dienen. Es gehe beim kirchlichen Partnerschaftsleben nicht allein um die Planung von Projekten oder den Austausch von Erfahrungen und Wissen, sondern um Gemeinschaft, in der die Partner*innen gemeinsam geistlich wachsen und füreinander beten.

Empfänger werden zu Gebern

Der indonesische Kirchenleiter betonte zudem, dass die Kirchen in Asien und Afrika gewachsen seien und ein Verständnis für Eigenverantwortung entwickelt hätten. Es habe sich gezeigt, dass sie nicht mehr bloß Empfängerinnen sein müssen, sondern auch Geberinnen sein können. Beispiele sind die Spendenkampagne „United Action“, mit der afrikanische und asiatische Mitgliedskirchen jährlich einige hunderttausend Euro für Projekte in allen drei Regionen sammeln, die Übernahme der Kosten für die Unterbringung und Verpflegung aller Teilnehmenden der VEM-Vollversammlung 2018 im indonesischen Parapat durch drei indonesische Gastgeberkirchen, die Finanzierung eines Vollstipendiums für Studierende aus Deutschland durch die Kimara-Gemeinde im tansanischen Dar-es-Salaam und die Spenden von mehr als 40.000 Euro, die VEM-Mitgliedskirchen in Asien und Afrika für die Opfer der verheerenden Überschwemmungen in Deutschland im Jahr 2021 gesammelt hatten.

Herausforderungen der Kirchen in Deutschland

In ihrem Beitrag wies Dr. Wibke Janssen, Theologin und Oberkirchenrätin der EKiR, auf die großen Herausforderungen hin, die die deutschen Kirchen zu bewältigen hätten. Hier wies sie vor allem auf den drastischen Mitgliederverlust und die damit verbundenen finanziellen Einbußen für kirchliches Handeln hin. Russlands Ukrainekrieg mitten in Europa habe Auswirkungen auf das soziale Miteinander in Deutschland und treffe viele Menschen weltweit existenziell.

Die Partnerschaftsarbeit sei besonders für die deutschen Kirchen eine große Chance, um sich zu einer interkulturellen Kirche weiterzuentwickeln. Dabei hob sie das gewachsene Vertrauensverhältnis hervor und betonte, dass es unter Christ*innen möglich sei, auch schwierige und kontroverse Themen anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die leitende Theologin plädierte für eine aktive Aufarbeitung kolonialer und neokolonialer Geschichte und Gegenwart in Kirche und Mission. Sie warb dafür, Fragen wie eine gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen sowie die Haltung zu Homosexualität und vielfältigen Formen des Zusammenlebens in geschützten Räumen zu besprechen und sich vor die Opfer sexueller Gewalt zu stellen.

 Klimawandel und die Partnerschaftsarbeit

 Dr. Sven Rudolph, Referent für sozial gerechte Klima- und Energiepolitik am Institut für Kirche und Gesellschaft (IKG) der EKvW, führte die drastischen Folgen des beschleunigten Klimawandels vor allem für die Länder des Südens vor Augen. Er warb dafür, im politischen Zusammenhang und in der Partnerschaftsarbeit vielfältige verändernde Schritte zu gehen, um eine weitere Eskalierung der Klimakrise mit ihren schon jetzt nicht mehr rückholbaren negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur zu verhindern. So müsse zum Beispiel die Anzahl der Flüge überdacht und jetzt alles dafür getan werden, um den CO2-Ausstoß zu minimieren.

 Zukunft kirchlicher Partnerschaften

Um die kirchlichen Partnerschaften zukunftssicher und gerecht zu gestalten, ist nach Ansicht der Konferenzteilnehmenden eine Partnerschaftsstrategie nötig, die beispielsweise bi- und trilaterale Workshops zur Ausarbeitung strategischer Partnerschaftsprogramme und -aktivitäten vorsähe. Darüber hinaus solle die Entwicklung einer attraktiven und freudvollen Partnerschaftsarbeit durch die Intensivierung von Austauschprogrammen beispielsweise für bestimmte kirchliche Gruppen wie junge Erwachsene und Chöre, aber auch für Berufsgruppen wie medizinisches Fachpersonal und Lehrer*innen sowie durch die Förderung thematischer Partnerschaften vorangetrieben werden.

Die Kommunikation zwischen den Partnerschaftsengagierten solle weiterhin sowohl digital als auch im Rahmen von präsenten Begegnungen stattfinden. Beide Formen der Begegnung und des Austausches seien unverzichtbar. Neue Partnerschaftsparadigmen sollen sowohl Eigenverantwortung als auch Gleichberechtigung stärken, um die Partnerschaftsbeziehungen auf Augenhöhe zu bringen. Die kirchliche Partnerschaftsarbeit solle zudem Themen wie Umwelt- und Klimaschutz sowie Versöhnung und Gerechtigkeit berücksichtigen. Insgesamt sollen künftig mehr Menschen, darunter vor allem junge Menschen, für das kirchliche Partnerschaftsleben gewonnen werden.

Positive Rückmeldungen

Prapti Evarida Sihombing, Delegierte aus dem Bezirk Samosir der HKBP, meinte im Rückblick auf die Konferenz, die vom 21. bis 25. Mai stattfand: „Dies war eine gute Konsultation mit eindrucksvollen Erfahrungen und der Möglichkeit, auch andere Partnerschaftsengagierte kennenzulernen und sich untereinander auszutauschen.“

Vevo Hutajul, ebenfalls Delegierter der HKBP aus Samosir, ergänzte: „Ich bin genauso begeistert von der Konferenz, weil sie uns alle zusammengebracht hat. Ich habe viel gelernt, mich mit anderen ausgetauscht und gemeinsam mit ihnen gebetet. In der Partnerschaftsarbeit müssen wir jetzt überlegen, wie wir die Natur als Gottes Schöpfung besser schützen und uns für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen können.“