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Lange Streit – und jetzt Versöhnung?

von Redaktion EKASuR

24.08.2022

Der Blick auf die ersten christlichen Gemeinden zeigt: Konfliktfreie Einheit war von Anfang an kein Kennzeichen des Christentums, sondern stets ein höheres, visionäres Ziel.


Wie dieses Ziel formuliert wurde, war aber immer davon geprägt, wer es wann und wie in Worte fasste. Und jede Gruppe im Urchristentum war in Glauben und Denken geprägt durch ihre Umgebungskultur. Das führte in der Folge zu regional ganz unterschiedlichen Gemeindestrukturen, Ritualen und Deutungen der Christusbotschaft. In mehreren „ökumenischen Konzilen“ suchten Vertreter der unterschiedlichen Richtungen nach dem Gemeinsamen: Um der Einheit Willen wollten sie definieren, was denn das Christentum sei. Das erste Treffen fand 325 n.Chr. in Nizäa statt. Am Ende jahrzehntelanger Diskussionen stand 382 das „Glaubensbekenntnis von Nizäa und Konstan- tinopel“ (s. Evangelisches Gesangbuch, Seite 854). Dieses Bekenntnis wird auch das „große“ oder „das ökumenische“ Glaubensbekenntnis genannt, denn es verbindet fast die gesamte ökumenische Christenheit.

Das Christentum wird vielfältiger

Was aber ist Ökumene? Das Wort stammt aus dem Griechischen und benannte in der Antike den „gesamten Erdkreis“. Die „ökumenische Christenheit“ umfasst also alle Christen, an allen Orten mit jedweder Prägung. Sie hatte nie eine feste organisatorische Struktur. Doch schon früh bildeten sich Gruppen von Gemeinden, die eine besondere Nähe zueinander hatten. Darüber entstanden größere Verbünde – die Kirchen. Es gibt gute Gründe festzustellen, dass es dabei „die eine Kirche“ im institutionellen Sinn niemals gegeben hat.

Als älteste „Kirchen“ mit einem erkennbar eigenständigen Weg gelten die Koptische, die Armenische und die Äthiopische Kirche, die sich im fünften Jahrhundert herausbildeten. Die folgenschwerste Teilung der ökumenischen Christenheit fand 1054 statt, als die römisch-lateinische Westkirche und die griechische Ostkirche getrennte Wege gingen. Gemeinsam war beiden die Ordnung durch je ein zentrales Oberhaupt: Den Patriarchen von Konstantinopel einerseits und den Papst (Bischof von Rom) andererseits.

Schisma und Reformation lassen getrennte Wege gehen

Innerhalb beider Großkirchen gab es weiterhin Auseinandersetzungen über die wahre kirchliche Lehre, so dass bald wieder neue Kirchen entstanden. Die nachhaltigste Veränderung innerhalb der Westkirche war die Zeit der Reformation. Im 16. Jahrhundert formten sich in Europa mit der anglikanischen, der lutherischen, der reformierten und anderen reformatorischen Kirchen neue Glaubensgemeinschaften. Insbesondere wollten sie sich nicht mehr der zentralen Weisung des römischen Bischofs unterordnen. Neues Ordnungskriterium wurde die Zugehörigkeit zu einem schriftlich niedergelegten Bekenntnis.

So wurde die Gestalt des Christentums über 2000 Jahre hin immer vielfältiger. Aus der Perspektive zentraler Machtstrukturen wurde dieser Prozess lange als Abfolge von Spaltungen beschrieben: Jede Neugründung spaltete sich demnach von der eigentlichen Kirche ab und verringerte deren Hoheitsbereich. Eine konfliktorientierte Beschreibung.

Eine neue Sicht: Wie ein Baum

Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es mit der „ökumenischen Bewegung“ einen neuen Blick darauf. Zunehmend wird von jeweils neuen Ästen und Zweigen am Stammbaum der Kirche gesprochen. Wie die Krone eines Baumes wird die Vielfalt wertgeschätzt. Denn jede christliche Kirche ist aus der gleichen Wurzel erwachsen.

Dieser neue Blick ist vergleichsweise jung – und es ist erstaunlich, zu wie viel versöhnlichen Entwicklungen er in gerade knapp hundert Jahren geführt hat. Er wurzelt aber wortwörtlich in einem der ursprünglichsten biblischen Einheitsbilder. Jesus Christus sagt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ (Joh 15,5) Es ist dies das Bild von dem einen Stamm, aus dem vielfältige Verästelungen wachsen.

Die ökumenische Bewegung heute sucht wie am Anfang danach, was das Zentrale und Wesentliche des christlichen Glaubens ist. Eben dies für je unsere Zeit und unseren Ort in der Welt passend zu beschreiben und mit Leben zu füllen, das ist unsere Verantwortung. Die Antworten werden auch künftig so verschieden sein wie Land und Leute.

Aber das höhere, visionäre Ziel – nämlich die vielfältige Verschiedenheit so zu versöhnen, dass in ihr die wesentliche Einheit in Christus zum Ausdruck kommt – das bleibt auch.

Am Ende steht das Versprechen Jesu: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.“ (Joh 14,2). Der griechische Wortstamm von „Ökumene“ bedeutet „wohnen“…

Niko Herzner, Pfarrer in Hennef  

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