Künftige Konzeption – Der Entscheidungsbaum schlägt Wurzeln
von Anna Neumann
27.09.2021
Mehr als vierzig Frauen und Männer haben erneut einen Samstag in Seelscheid verbracht und über die künftige Konzeption des Evangelischen Kirchenkreises An Sieg und Rhein nachgedacht. Dabei lernten sie den „Entscheidungsbaum“ kennen, eine Entscheidungshilfe mit mehreren Filtern.
In Arbeitsgruppen erprobten die Teilnehmenden dieses Instrument in praktischen Fällen. Eines der Beispiele: Eine evangelische Kirchengemeinde erhält das Angebot, sich am Neubau von Seniorenwohnungen finanziell zu beteiligen. Der Wohnblock würde die Gemeinde im Namen tragen, ein Hauptinvestor übernimmt den Bau. Finanzielle Beteiligung bedeutet: Die Gemeinde muss einen Kredit aufnehmen, erhält eine Rendite. Angebot annehmen?
Der Entscheidungsbaum mit seinen vier Filtern bzw. Haupt-Prüffragen strukturiert die Auseinandersetzung mit dem Fallbeispiel: Der sog. strategische Filter wirft zunächst die Frage auf, ob diese finanzielle Beteiligung zu den selbstgesteckten inhaltlichen Schwerpunkten und zum Evangelium passt. Die weiteren Filter kreisen die Relevanz des möglichen Projekts ein, seinen qualitativen und quantitativen Mehrwert, seinen ökologischen und seinen nachhaltigen Wert, und schließlich Personalkapazitäten und Finanzmittel. Sogenannte Harvey Balls dienten als fünfstufige Skala: Die jeweilige Bedingung wird zwischen komplett unerfüllt, zu einem Viertel, zur Hälfte, zu dreiviertel oder vollständig erfüllt angesehen.
Warum sollte die Kirche privaten Wohnraum finanzieren, fragte ein Pfarrer in der Arbeitsgruppe zum Beispielfall. Eine klare Rückfrage zur Strategie. Eine Kollegin fragte: Wo bleibt der qualitative Mehrwert, wenn im Projekt nicht einmal ein Gemeinschaftsraum vorgesehen ist? Die Beteiligten gingen die Filter durch. Stellten in den Gruppen und später auch im Plenum fest: Die Filter machen es leicht, ein Projekt abzulehnen oder vielleicht auch zu verändern bzw. zuverbessern, um den Kriterien zu genügen. Die Harvey Balls gäben Subjektivem zu viel Raum, wurde kritisch angefragt, besser sei es, bei den Filtern Fakten und Zahlen zu hinterlegen. Andere fanden sie gut benutzbar zur Gewichtung: „Schwachstellen werden sofort sichtbar.“
Zu den Diskussionsthemen gehörte dann auch der Entwurf der Konzeption, soweit sie bisher entwickelt wurde. Unter den sechs Schwerpunkten für die Arbeit im Kirchenkreis fehle ihr noch die Seelsorge, meinte eine Teilnehmerin. Diese sei doch bei „Hilfe“ erwähnt, meinte jemand. Dort sei ihr nur das Diakonische hängengeblieben, erwiderte die Pfarrerin.
Dies sind die im bisherigen Konzeptionsentwurf genannten Schwerpunkte: „Ein großes Wir“, „Gottes Wort in all seiner Vielfalt“, „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“, „Vernetzung“, „Digital“ und wie erwähnt „Hilfe“. Die Erarbeitung der Konzeption, von der Kreissynode vor rund zwei Jahren in Gang gesetzt und einem Lenkungsausschuss aufgetragen, wird fortgesetzt. Nächste Etappe ist die Kreissynode Anfang November.
Evangelisch in der Region an Sieg und Rhein möge eine Gemeinschaft mit Hoffnung im Herzen sein, hatte Pfarrer Carsten Schleef, Vorsitzender des Lenkungsausschusses und als Assessor stellvertretender Superintendent, in der Andacht zu Beginn des Tages gesagt. Er machte sich für einen Perspektivwechsel stark – damit der „Patient Kirche“ gesund werde. Schleef legte die biblische Geschichte von der Heilung des Gelähmten zugrunde. „Das wäre doch phantastisch, wenn wir am Ende unseres Prozesses miteinstimmen könnten in diesen Chor der verwunderten Augenzeugen: So etwas haben wir noch nie erlebt!“