Gottesdienst zum Beginn der Kreissynode in der Klosterkirche der Steyler in Sankt Augustin - im Vordergrund der Posaunenchor Hennef mit weiteren Bläser*innen aus dem Kirchenkreis.

Kreissynode: Von Macht und Machtmissbrauch

von Anna Neumann

15.06.2025

Gleich im Gottesdienst stand das Thema Macht und Machtmissbrauch im Mittelpunkt. Hat die evangelische Kirche ein "verqueres" Verhältnis zur Macht? Gilt hier Macht als „irgendwie ungehörig“?


Diese Fragen warf Pfarrer Simon Puschke auf, der zusammen mit Pfarrer Richard Landsberg predigte – im Eröffnungsgottesdienst der Kreissynode in der Klosterkirche der Steyler Missionare in Sankt Augustin. Die Mitglieder und Gäste der Kreissynode fragte Puschke suggestiv: „Sie alle wären doch nicht hier, wenn Sie die Macht nicht ein bisschen lieben würden.“ (Wahl-) Ämter bieten schließlich eine schöne Portion Einfluss. In der Kirche würden viele Macht kleinreden. „Man sagt, man sei nur dienend unterwegs.“ Nicht zuletzt die Forum-Studie über sexualisierte Gewalt in der Kirche habe dagegen klargestellt: Die Macht ist doch da.

„Macht was!“ knüpfte Pfarrer Landsberg an und appellierte, nicht „bequem am Rande zu stehen“, sondern sich zu engagieren. Macht und Einfluss im Guten zu nutzen, zum Beispiel zur Sensibilisierung gegen Gewalt, für die Bewahrung der Schöpfung in Form von Solaranlagen auf Dächern oder für die Gestaltung von Zufluchtsorten für Verfolgte. „Aus Jesu Geist leben heißt, dass ich Teil der Lösung bin.“

Vortrag über Macht, Gewalt und Missbrauch

Mit dem Stichwort Forum-Studie war der Bezug benannt: In der Plenartagung folgte der  Vortrag über „Macht – Gewalt – Missbrauch“ des Hamburger Theologieprofessors Gerhard Schreiber. Aufarbeitung und Vorbeugung von sexualisierter Gewalt in der Kirche beschäftigt den Evangelischen Kirchenkreis An Sieg und Rhein schon länger. An diesem Tag in der Synode solle es um die tieferliegenden Fragen gehen, erklärte Superintendentin Almut van Niekerk einleitend.

Macht sei keine Ursache von Gewalt, aber eine notwendige Voraussetzung, stieg Prof. Schreiber in Begriffsklärungen ein. Um Machtmissbrauch zu bekämpfen, brauche es wiederum Macht. Macht könne also im Guten wie im Schlechten ausgeübt werden. Macht könnten wir weder hören noch sehen: „Macht wird sichtbar, wenn ihre Wirkung zum Vorschein kommt.“

Zu den Machtmitteln zählt Prof. Schreiber physische, etwas körperliche Präsenz, etwa schiere Körpergröße. Besitz und Kapital seien ökonomische Machtmittel. Mächtige Mittel seien auch Information und Wissen. Einfluss lasse sich beispielsweise ganz besonders durch das Vorenthalten von Bildung ausüben. Emotionale Machtmittel können Zuneigung und Liebe genauso wie Angst sein. In welcher Form auch immer: Von Machtmissbrauch ist zu reden, wenn Macht in einer sozialen Beziehung dazu genutzt wird, den eigenen Willen gegen Widerstreben durchzusetzen.

Gewalt bricht Widerstand

Gewalt sei ein „besonders effektives“ Machtmittel, weil sie ganz unmittelbar Gehorsam erzwingt und Widerstand bricht. Klar, auch das Wort Gewalt wird in positiven Zusammenhängen verwendet, etwa wenn es um die demokratische Gewaltenteilung geht. Hier gemeint bzw. problematisch ist Gewalt mit folgenden Merkmalen: Sie beinhaltet Relationalität – einfacher gesagt: „Es geht immer um Gewaltstrukturen oder Gewaltverhältnisse.“ Jemand hat Gewalt – nicht einfach so, sondern über jemanden.

Außerdem geht Gewalt mit einer Schädigung einher – sei es eine körperliche, sei es eine andere Form der Begrenzung eines anderen Menschen. Gerade auch strukturelle Gewalt sei „das Verheerende bei Missbrauch“, so Schreiber. Schließlich habe Gewalt immer auch einen Geschehenscharakter. Es reiche nie, „nur einen Täter zu entfernen“. Vielmehr müsse immer ein Gefüge bzw. die Struktur, in der Gewalt geschieht, verändert werden.

Außerdem mahnte Schreiber, den Blick auf die Erleidenden zu richten statt auf die Ausübenden. Darüber hinaus sei für die Betroffenen wichtig, dass Gewalt als Gewalt benannt wird. Betroffene von Missbrauch könnten oft erst nach sehr langer Zeit verstehen oder wahrnehmen, dass ihnen Gewalt angetan wurde.

Sexuellen Missbrauch ordnete Schreiber als Teilbereich von sexualisierter Gewalt ein. Gemeint ist das Ausnutzen der Lage einer Person, die zu einer sexuellen Handlung nicht zustimmen kann. Etwa, weil ein Machtvorsprung besteht. Weil Minderjährigen altersbedingt eine Zustimmung gar nicht möglich war. Weil eine Person hochdement ist. Weil jemandem KO-Tropfen eingeflößt wurden.

Ein Versagen der Institution 

In Fragen von Macht, Gewalt und Missbrauch innerhalb der Kirche stellte der Professor klar: „Auch ein Machtvakuum kann für Missbrauch benutzt werden.“ Dass Missbrauch im Raum der Kirche geschehen kann, sei ein Kennzeichen von Defekten und Versagen der Institution. Für nachhaltige Lösungen müssten deshalb die strukturellen Bedingungen angegangen werden.

Die Forum-Studie habe schonungslos offengelegt, dass die Evangelische Kirche keine Oase ohne sexualisierte Gewalt sei. Missbrauch sei langjährig als etwas Externes betrachtet und bagatellisiert worden. „Täter aus dem Dienst zu entfernen, reicht nicht.“ Kircheninherente Strukturen müssten angegangen werden, es brauche entschlossenes Handeln und eine „Neujustierung des Machtgefüges“. Schreiber zitierte Dietrich Bonhoeffer: Es gelte, dem Rad in die Speichen zu fallen.

Abgestimmt unterwegs bei treibhausgasneutralen Gebäuden

Die treibhausgasneutrale Umwandlung der kirchlichen Gebäude stand erneut als Thema auf der Tagesordnung der Kreissynode. Dies soll bzw. muss bis zum Jahr 2035 geschehen, so die Vorgabe der Landessynode. Die hiesige Kreissynode nun befasste sich mit den Erkenntnissen aus dem Start von zwei Pilotgemeinden in den Prozess, der mit einer Analyse der vorhandenen Gebäude beginnt. Die Delegierten beschlossen, dass alle Gemeinden das noch in diesem Jahr abschließen.

Gleichzeitig unterwegs zu sein – dahinter steckt folgender Gedanke: Es sollte niemand hinterherhinken, denn statt Alleingängen von Gemeinden soll es Absprachen und ein Miteinander von Nachbargemeinden geben. Diese Empfehlung kam insbesondere aus dem Sounding Board, ein Begleitgremium aus gemeindlichen Experten. Ihr Rat: Nachbarschaftliche, ökumenische und kommunale Aspekte müssen bei den Gebäudeentscheidungen berücksichtigt werden. Superintendentin van Niekerk mahnte: „Wir dürfen bei solch wichtigen Entscheidungen keinen Tunnelblick entwickeln.“

Darüber hinaus lenkte sie den Blick schon auf die nächsten Schritte: Gemeinden sollten einen Entscheidungsprozess mit Partizipation vorbereiten. Sie müssten die Menschen mitnehmen. Damit Gemeinden künftig nur noch treibhausgasneutrale Gebäude haben, müssten sie jeweils u.a. in den Blick nehmen, wie sie künftig vor Ort Kirche sein wollen.

Beschlüsse zu Kitas und Kollekten 

Die Kreissynode hat beschlossen, für weitere zwei Jahre die Finanzierung von Kindertagesstätten gemeinsam solidarisch zu unterstützen. Dies geschieht bereits seit 2022. Die kreiskirchlichen Kollekten wurden wie folgt festgelegt: Unterstützung der Arbeit für Menschenrechte am Berufskolleg Hennef (28. Dezember), Hilfe für Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren (7. Juni 2026) sowie Einzelfallhilfe für Familien über den Familienfonds der Diakonie An Sieg und Rhein (19. Juli 2026).

Ausführlicher und nachdenklich war bereits auf der Kreissynode im November vorigen Jahres darüber gesprochen worden, jetzt wurde nach kurzer Aussprache so beschlossen: Der Kirchenkreis beendet seine Partnerschaft mit dem Kirchenkreis Tsumeb in Namibia.

Ein weiteres Thema war der Wechsel der Evangelischen Beratungsstelle in die Trägerschaft des Diakonischen Werkes Bonn und Region. Dies soll zum 1. Januar 2026 geschehen. Bisher tragen die „Vereinigten Kreissynodalvorstände“ (VKSV) der Kirchenkreise Bonn, Bad Godesberg-Voreifel sowie An Sieg und Rhein die Beratungsstelle. Betont wurde, dass die Beratungsstelle wie bisher den Menschen aus dem hiesigen Kreis offensteht, die Lebens-, Paar- oder Erziehungsberatung brauchen.

„Stadt.Land.Segen“ auf den Weg gebracht

Tauffeste im Freien. Segen für Singles. Segen zu Beginn des Ruhestands. Angebote am Valentinstag. Im Kirchenkreis werden verschiedene Segens-Formate weiter gepflegt, geteilt und weiterentwickelt. Um den Austausch darüber zu verstetigen, gibt es künftig unter dem Titel „Stadt.Land.Segen“ einen Treffpunkt zwei Mal im Jahr. Dazu wurde auf der Synode breit und herzlich eingeladen.

Die Kreissynode hat einige wenige Nachwahlen getroffen: Dr. Judith Pschibille, Leiterin des Bodelschwingh-Gymnasiums in Herchen, ist neue stellvertretende Delegierte des Kirchenkreises in der Landessynode. Pfarrer Stefan Mispagel ist nun Synodalbeauftragter für Krankenhausseelsorge.

Die Kollekte im Gottesdienst fließt an „Robin Good“, den Bonner Fonds von Diakonie und Caritas für Familien in akuter Not. Hier kamen 930,51 Euro zusammen.