Dokumentation von Abschiebungen – Buch belegt Ausgrenzung und Entrechtung
von Anna Neumann
14.06.2024
Ein Oppositioneller, der nach seiner Abschiebung nach Tadschikistan zu sieben Jahren Haft verurteilt wird. Ein suizidgefährdetes Folteropfer, das wochenlang in Abschiebehaft gesteckt wird. Ein junger Mann, dem die Ausländerbehörde jahrelang die Erlaubnis für eine Ausbildung verweigert und ihn zur „freiwilligen Ausreise“ drängt, damit er „auf dem korrekten Weg“ mit einem Visum wieder einreist, um seine Ausbildung beginnen zu dürfen. Sie stehen beispielhaft für die Menschen, um die es in einem neuen Buch geht: Das vom Projekt Abschiebungsreporting NRW und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. gemeinsam herausgegebene Buch „Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung, Entrechtung, Widerdstände“ legt die nordrhein-westfälische Abschiebepraxis offen.
Auf 234 Seiten analysieren Sebastian Rose und Sascha Schießl Abschiebungen als politische Praxis in Nordrhein-Westfalen und zeigen die Kämpfe und Widerstände gegen Abschiebungen auf. Sie beleuchten die verschiedenen behördlich zuständigen Akteur*innen und benennen, wie und wer abgeschoben wird. In NRW ist in den letzten Jahren ein breiter Behördenapparat aus Zentralen Ausländerbehörden und Regionalen Rückkehrkoordinationsstellen entstanden und erweitert worden, für den das Land NRW viel Geld ausgibt, heißt es in der Pressemitteilung über das Buch.
Das Buch zeigt, „dass der politisch inszenierte hohe Abschiebedruck und die vielfältigen Gesetzesverschärfungen in der Praxis zu härteren, nicht selten auch rechtswidrigen Abschiebungen führen“. Der oft schmale Grad zwischen Abschiebung und Bleiberecht – heute Abschiebehaft, morgen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis – zeige beispielhaft die Willkür der deutschen Abschiebepolitik auf.
Insgesamt sind in dem Buch mehr als hundert Fälle von drohenden, versuchten und vollzogenen Abschiebungen durch nordrhein-westfälische kommunale Ausländerbehörden sowie die Zentralen Ausländerbehörden dokumentiert – mal knapp angerissen, mal sehr umfassend nachgezeichnet.
„Regelmäßig problematische Vorfälle“
„Regelmäßig werden problematische Vorfälle aufgedeckt“, sagt im Interview zum Buch Kirchenrat Rafael Nikodemus. Er ist im Düsseldorfer Landeskirchenamt für Menschenrechtsfragen zuständig. Nun gibt es seit 23 Jahren die sog. Abschiebungsbeobachtung, die für Schutz gesorgt hat. Nikodemus: „In den vergangenen Jahren haben wir allerdings immer stärker wahrnehmen müssen, dass heute die eigentlichen Probleme und humanitären Härten in der Situation der Vorbereitung der Abschiebung, der Abholung und Zuführung der betroffenen Personen zum Flughafen liegen.“
Download und Link
Download des Buchs sowie Interview mit Kirchenrat Nikodemus und weitere Infos lesen