Corona-Krise: Hilfe verbessern, Solidarität üben
von Anna Neumann
25.11.2020
Das hat Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, in der Videokonferenz „Eine Krise ohne Verlierer*innen. Geht das?“ verdeutlicht. Sie schlüsselte in der Konferenz die „Anwaltschaft für besonders vulnerable Gruppen und gefährdete Arbeitsbereiche“ auf. Und erinnerte, dass die stationäre Altenpflege der erste Hotspot von Infektionen und Todesfällen war. Die häusliche Pflege war besonders belastet, unter anderem durch die Schließung von Tages- und Kurzzeitpflege.
Corona habe wie unter einem Brennglas die Situation der Pflege deutlich gemacht und sie auf die Tagesordnung gehoben. Wichtig sei vor allem eine bessere Personalausstattung, so Loheide, die auch schilderte, wie die Diakonie ihre Arbeit unter Corona umgestellt hat. Die Krise habe eine Dynamik ausgelöst, sie rechne nun noch in der laufenden Wahlperiode mit Verbesserungen.
Was lässt sich aus dem ersten Lockdown lernen? Loheide appellierte, sich für gesellschaftliche Solidarität stark zu machen. Es gelte, Isolation und Kontaktsperren zu vermeiden, insbesondere pflegedürftige alte Menschen nicht von Besuchen auszuschließen. Das fordert Loheide auch für Menschen mit Behinderung, die durch die Schließung ihrer Werkstätten in Isolation gerieten, Maßnahmen als rigide erlebten, Teilhabe verloren und paternalistische Behandlung erfuhren.
Familien belastet
Einen Großteil der Belastungen mussten Familien tragen – mit Homeschooling, Homeoffice und einem Rollback der Rolle von Müttern. Konflikte in Familie wuchsen an, Probleme eskalierten. Eine „Riesenherausforderung“ nannte Maria Loheide die Bildung in wirtschaftlich schwachen Familien. So musste in mancher Familie Schule über ein einziges Handy versucht werden zu verfolgen. Das lasse sich nicht schnell aufholen: „Wir bekommen eine Bildungsgerechtigkeitslücke.“
Öffentliche Toiletten und Duschen geschlossen, Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln in Unterkünften unmöglich: Zu den Verlierer*innen gehören auch Obdachlose. Ähnliche Sorgen bei geflüchteten Menschen: In Sammelunterkünften fehlt der Raum für Abstand. Als vor allem ältere Ehrenamtliche im Frühjahr nicht mehr zu Besuch kamen, brach den Geflüchteten „eine wichtige Kontaktsäule weg“.
Großes Engagement
Was hat in der Krise geholfen? Maria Loheide zufolge: großes Engagement und ganz viele tolle Projekte, beispielsweise ein Projekt offene Gärten für Familien in kleinen Wohnungen. Wichtig auch in nächster Zeit sei nachbarschaftliche Hilfe. Wer sich engagieren wolle, werde bei nebenan.de und über das Stichwort Corona-Soforthilfe fündig, so Loheide. Und auch bei der Freiwilligenagentur des Rhein-Sieg-Kreises, wie Andrea Eisele ergänzte, die Leiterin der Evangelischen Erwachsenenbildung An Sieg und Rhein war Co-Gastgeberin der Konferenz.
Neben den Verlierer*innen gebe es doch auch Gewinner der Krise, meinte in der anschließenden Diskussion ein Konferenzteilnehmer. Sein Vorschlag: die Einführung einer Corona-Steuer. „Ein interessanter Aspekt“, kommentierte Loheide und berichtete, dass die Diakonie an vielen politischen Stellen für eine andere Umverteilung eintrete.
Spenden willkommen
Eine Teilnehmerin brachte ein deutschlandweites Spendenkonto ins Spiel und argumentierte mit hoher Spendenbereitschaft vieler Menschen. Da gab Loheide zu bedenken, dass der Trend in eine andere Richtung gehe: konkrete Projekte vor Ort. Bei einem zentralen Topf hätten Spender*innen zu oft die Sorge, ihr Geld könne versickern.
Die Veranstaltung bildete den Abschluss der fünfteiligen Reihe „Gut durch die Krise. Was zählt, wenn es drauf ankommt?“, verantwortet von der Evangelischen Erwachsenenbildung An Sieg und Rhein, dem Katholischen Bildungswerk im Rhein-Sieg-Kreis, dem Katholisch-Sozialen Institut, dem Treffpunkt am Markt und dem Kreisdekanat Rhein-Sieg. Sie gestalten regelmäßig die Reihe „Sondierungen zur Orientierung“ – dieses Mal zum Thema Krise.
Weblinks
zur Evangelischen Erwachsenenbildung An Sieg und Rhein und zur Diakonie Deutschland