Persönliche Wunder-Erfahrungen wurden notiert und an den Baum geheftet - in der "happy:hour" in Stieldorf. Foto: Mike Krüger

Abend der Wunder

von Jeremie Niyiguha

14.05.2025

"Als Mutter ist es oft schwierig, Leute in meinem Alter zu treffen und ein richtiges Gespräch zu führen.“ Dieser Abend sei „die Chance, mit anderen ins Gespräch zu kommen", freut sich Maike Henze.


Die Rede ist von der „happy:hour“, einer kirchlichen Premiere. Es war kein traditioneller Gottesdienst, sondern eine einzigartige und herzerwärmende Veranstaltung der Evangelischen Kirchengemeinde Siebengebirge. Die „happy:hour“ fand in der Zeltkirche in Königswinter-Stieldorf statt. Das Thema lautete „Wunder“.

An dem Gottesdienst nahmen rund vierzig Menschen aus verschiedenen Ecken der Kirchengemeinde teil. Diese Veranstaltung, die im Rahmen des Gemeindeprojekts von Vikarin Kathrin Reinert während ihres Vikariats stattfand, war eine schöne Reflexion über die dynamische und sich entwickelnde Rolle der Kirche im Leben der Menschen.

Der Abend begann mit einer Umgestaltung der Zeltkirche, die ganz anders aussah als sonst. Die Tische waren mit kleinen Blumenvasen und Kerzen dekoriert, Snacks standen bereit, was eine einladende und entspannte Atmosphäre schuf. Vor dem goldenen Altar stand ein Baum – das trug zum Charme des Abends bei. Das Highlight der Dekoration? Ein alter Kaugummiautomat in der Mitte der Kirche, der die interaktiven und unerwarteten Elemente der Veranstaltung symbolisierte.

Austausch über persönliche Erfahrungen

Für viele Teilnehmer*innen war die Veranstaltung mehr als nur ein Gottesdienst. Noch einmal Gemeindemitglied Maike Henze: „Normalerweise treffe ich Leute, wenn wir mit unseren Kindern zu Aktivitäten gehen.“ Deshalb freut sie sich über die Gelegenheit, andere Menschen zu treffen. Sie war zusammen mit ihrem Mann aus Aegidienberg zur „happy:hour“.

Vikarin Kathrin Reinert betonte, wie wichtig es sei, die Veranstaltung über die Website der Kirche und die Plattformen der sozialen Medien zu bewerben, um Menschen aus allen Dörfern der Gemeinde zu erreichen. „Es war wichtig, die Nachricht zu verbreiten“, so die Theologin. „Wir wollten sicherstellen, dass sich alle willkommen fühlen, auch diejenigen aus weit entfernten Dörfern.“

Das Programm des Abends begann mit einer Frage, die zum Nachdenken anregte: „Haben Sie jemals ein Wunder erlebt?“ Die Teilnehmenden wurden aufgefordert, über die wundersamen Momente in ihrem eigenen Leben nachzudenken. Schon bald nahm der Gottesdienst einen interaktiven Charakter an: Die Teilnehmenden sangen Karaoke sangen und erzählten einander persönliche Geschichten über Wunder.

Fragen aus dem Kaugummi-Automat

Das Herzstück des Abends war der Kaugummi-Automat: Er enthielt eine Sammlung von Fragen, die zum Nachdenken anregten. Diese Fragen wurden von den Teilnehmern gezogen und in kleinen Gruppen diskutiert. Sie lauteten beispielsweies: „Wann hattest du heute einen wunderbaren Moment?“ oder „Muss ich ein Wunder mit meinem Verstand verstehen, um es dankbar anzunehmen?“ Eine der Gruppen dachte über die Frage nach: „Kann ich mich freuen, wenn andere etwas Schönes haben?“ Ihre Antwort war sehr tiefgründig: „Wir verwandeln unsere Neidgefühle in Glück. Ein Wunder der Veränderung, sozusagen.“

Im weiteren Verlauf des Abends war es Zeit für Dankbarkeit und Gebete. Die Gäste schrieben persönliche Wunder auf Zettel, die dann an den goldenen Baum am Altar gehängt wurden. Einige Teilnehmende zündeten eine Kerze an und verbrachten ein paar Momente im stillen Gebet. Der Gottesdienst endete mit einer kraftvollen und gemeinsamen Segenskette, bei der sich alle die Hände reichten. Die „happy:hour“ wurde mit einer „Gemeinsam-Zeit“ fortgesetzt. Diese Zeit diente dazu, sich auszutauschen, zu lachen und neue Verbindungen zueinander zu knüpfen.

Auf dem Weg zur Ordination

Der Abend war nicht nur eine kirchliche Veranstaltung, sondern spiegelte auch den eigenen geistlichen Weg von Vikarin Kathrin Reinert zur Ordination wider. Die Theologin erzählte, dass sie durch ihre jahrelange ehrenamtliche Arbeit in verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel der Essensausgabe und der musikalischen Gestaltung von Gottesdiensten, dazu inspiriert wurde, den Weg zur Ordination als Pfarrerin einzuschlagen. „Viele Leute erzählten mir von meiner Fähigkeit, in der Öffentlichkeit über meinen Glauben zu sprechen, und ich nahm dies als Einladung an“, sagt sie. 2017, im Alter von 37 Jahren, kehrte sie an die Universität zurück, um Theologie zu studieren.

Das Projekt, das sie für diesen Gottesdienst organisierte, war Teil ihrer laufenden Arbeit als Vikarin in der rheinischen Kirche, wo sie auf ihr Zweites Kirchliches Examen hinarbeitet. Dazu gehörte auch die Organisation eines kirchlichen Projekts unter Beteiligung von Freiwilligen sowie von kirchlichen Mitarbeitenden wie Musiker*innen, Küster*innen und Hausmeister*innen.

„Ich entschied mich für ein Projekt, das Menschen ansprechen sollte, die aufgrund ihres hektischen Lebens normalerweise nicht in die Kirche gehen“, erklärt die Vikarin. „Menschen in ihren 40ern und 50ern brauchen oft spirituelle Momente unter der Woche, aber ihre Zeitpläne passen nicht immer zu den traditionellen Kirchenzeiten. Deshalb haben wir uns für einen Freitagabend-Gottesdienst entschieden.”

Bedeutung von Ehrenamtlichen

Kathrin Reinert spricht leidenschaftlich über die Rolle, die Freiwillige in ihrem Dienst spielen. In den vergangenen 25 Monaten hat sie eng mit Pfarrerin Ute Krüger, ihrer Mentorin, zusammengearbeitet, hat Gottesdienste, Taufen und Beerdigungen geleitet. Sie betont, wie wichtig die Hilfe von Ehrenamtlichen ist. Vor allem in ländlichen Gemeinden seien sie oft das Rückgrat der kirchlichen Aktivitäten. „Ohne die Hilfe von Freiwilligen hätten wir viele unserer Gottesdienste nicht durchführen können“, sagt sie und erwähnt einen denkwürdigen Weihnachtsgottesdienst, der in einer örtlichen Reithalle stattfand, wo Freiwillige bei allem halfen, vom Tragen von Möbeln bis zum Basteln von Kostümen für die Kinder im Krippenspiel.

Mit Blick auf ihren zukünftigen Dienst ist Kathrin Reinert überzeugt: „Die pastorale Arbeit muss die sich verändernden Bedürfnisse der Gemeinschaft widerspiegeln.“ Sie will weiterhin mit Menschen in verschiedenen Lebensabschnitten in Kontakt treten, insbesondere mit denen, die vor großen Veränderungen stehen, wie z. B. beruflichen Veränderungen oder Umzügen. „Diese Momente können sich rückblickend wie ein Wunder anfühlen.“

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