Superintendentin Almut van Niekerk Foto: Anna Siggelkow

Wichtiges Zeichen der Solidarität

von Anna Neumann

21.01.2022

Superintendentin Almut van Niekerk über die Solidarität für die mit Mord bedrohte Herner Pfarrerin, die Abgrenzung von Rechtsextremen und die Notwendigkeit, mit Verunsicherten aber weiter zu reden


Die Landessynode verurteilt die Morddrohungen gegen eine Pfarrerin aus Herne. Wie wichtig ist diese Solidaritätserklärung?

Diese Pfarrerin feierte mit ihrer Gemeinde ein Friedensgebet gegen Gewalt. Daraufhin Morddrohungen zu bekommen, ist natürlich perfide. Aber viele teilen ihr Schicksal, Zielscheibe von Hass zu sein. Die Berichte kürzlich über die Demo vor dem Haus einer Landrätin zeigten ja auch deutlich die Lust, Bedrohungssituationen zu schaffen, damit Menschen Angst bekommen. Politisch Engagierte sollen gedrängt werden, von ihren Ämtern zurückzutreten. Auch diese Pfarrerin soll entmutigt und zum Schweigen gebracht werden. Daher verstehe ich sehr gut ihre Erleichterung über Zeichen und Worte der Unterstützung. Dass sich nun die westfälische und die rheinische Kirche ganz deutlich positionieren, finde ich ein wichtiges Zeichen der Solidarität für ihre Arbeit, aber auch in die Gesellschaft hinein.

 

Gibt es – abgesehen von speziellen medizinischen Gründen – Argumente gegen die Corona-Impfung, die Sie nachvollziehen können?

Nein. In der Bibel steht: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Die Maxime gilt auch für die Überwindung der Pandemie. Ich bin froh und dankbar, dass schlaue Menschen rasend schnell die bisherigen Forschungsergebnisse weiterentwickelt haben, so dass wir nun Impfstoffe zur Verfügung haben. Selbst- und Nächstenliebe passen aus meiner Sicht hier sehr unkompliziert zusammen: Indem wir uns alle impfen, schützen wir uns selbst und zugleich alle miteinander. Das muss man nicht mal biblisch oder moralisch begründen: Die Interessen des schlichten Überlebens verbinden sich. Wenn wir uns impfen lassen, vervielfachen wir unseren Schutz.

 

Wie ordnen Sie das Leugnen vonCorona ein – bis hin zu extremistischen Positionen?

Sätze wie „An Corona glaube ich nicht“ führen bei mir zu Kopfschütteln. Ich glaube ja auch nicht „an Corona“, aber kann doch nicht darüber hinwegsehen, dass Menschen erkranken oder sterben. Leugnen leuchtet mir nicht ein, bewegt sich aber noch im Rahmen von Meinungsfreiheit. Radikalisierung und Enthemmung jedoch, in welchem Grad auch immer – müssen wir entschlossen gemeinsam angehen. Wer von „Corona-Diktatur“ und ähnlichem schwadroniert, entwertet unsere demokratischen Errungenschaften. Der Mord an dem Tankstellen-Mitarbeiter in Idar-Oberstein ist schockierend. Gewaltaufrufe, verstärkter Frauenhass und antisemitische Hetze – das alles empört mich. Ich erwarte, dass Menschen sog. Spaziergänge sofort verlassen, auf denen rechtsextremistische Propaganda verbreitet wird. Medien-Recherchen belegen eindeutig, dass das Themenfeld Corona, Impfen und mögliche Impfpflicht gekapert wird, um unsere Demokratie zu schwächen. Stattdessen soll es ein autoritäres Regime geben. Diese Instrumentalisierung hat Methode. Dafür habe ich null Toleranz.

 

Was bleibt da zu tun?

Fachleute raten: mehr erklären. Erläutern, dass wir keine unerkannten Impfnebenwirkungen zu befürchten haben. Von Aktionen wie der Siegburger Menschenkette verspreche ich mir, dass wir Verunsicherte erreichen. Zweifelnde sollen nicht nur Leugnungen und falsche Behauptungen hören. Auch Lichterketten haben Symbolkraft – das will ich nicht den Spaziergängern überlassen. Spannend finde ich auch die Idee einer Sprechstunde für Impf-Skeptiker, wie es der Saarbrücker Oberbürgermeister begonnen hat. Seine Erfahrung: Manchen Menschen fehlen einfach etliche Erklärungen.

Wichtig ist, dass wir uns nicht beirren lassen. Da hilft es, einander zu bestärken. Die (Mehrheits-) Gesellschaft und insbesondere die Politik sollten weiter ihr Bestes versuchen und möglichst kluge Maßnahmen ergreifen: Wir brauchen weiterhin niedrigschwellige und mobile Impfangebote, die auch kultursensibel sind. Wir benötigen Informationen in Leichter Sprache. Wir benötigen kompetente Menschen, die mit den Skeptikern über ihre Bedenken sprechen und Unsicherheiten aufklären und ausräumen. Wir sollten den Gesprächsfaden halten. Das schafft hoffentlich Vertrauen und Begegnung.

 

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Landessynode verurteilt Morddrohungen gegen Herner Pfarrerin