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Seelsorge-Reihe III – Perlen des Muts, Perlen des Glaubens

von Anna Neumann

07.04.2022

Der Junge, so um die sechs, fädelte mit seiner Mutter Perlen auf, als die Klinikseelsorgerin dazukam. Onkologische Station der Asklepios-Kinderklinik in Sankt Augustin. Er sammelte seine „Mutperlen“.


Perlen, die wie ein Tagebuch seinen Weg bezeugen, den Kampf gegen eine schwere Erkrankung in jungen Jahren. Für jede wichtige Bezugsperson: eine Perle. Für jeden Pieks, jede Blutabnahme, jedes sonstiges tapferes Mitmachen: eine Perle.

Und so stutzte der kleine Patient, als er am Arm der Pfarrerin ein Perlen-Armband bemerkte. Ob sie auch krank sei, war seine Frage, bevor der Junge und die Pfarrerin ins Gespräch über ihre Perlen kamen. „Ich stelle dann ja Gegenfragen“, erklärte Klinikpfarrerin Editha Royek beim dritten #seelsorgeistda-Abend. Und so lernte sie seine Deutung der schwarzen Perlen in ihrem „Perlen-des-Glaubens“-Armband kennen, bzw. was ihm die Farbe schwarz bedeutet. Manchmal sei eine Nacht für ihn ganz schwarz. Wenn es ihm nicht gut geht. Dann sei er froh, wenn seine Mutter bei ihm ist.

Dann kam die Goldene Perle dran, die ja auch im Armband in ihrem Handgelenk ihr Zuhause hat. Wenn es ihr mal schlecht geht, erinnere diese Perle sie daran, dass Gott bei ihr ist. Verblüffte Überlegung des Jungen: „Ist Mama Gott?“

Musik als Türöffner

Was auch als „Türöffner“ in der Klinikseelsorge funktioniert, ist Musik. Davon berichtete Diakonin Gunhild Zimmermann; sie ist Seelsorgerin an der Helios-Klinik in Siegburg. Manchmal hat sie ihre Querflöte dabei und spielt für Patienten. Außerdem organisiert sie das „Heilsame Singen“, jeden Donnerstag in der Klinikkapelle.

Ja, berichteten die beiden Seelsorgerinnen, sie treffen auch manchmal auf Ablehnung. Aber, sagt Editha Royek, „seltener, als ich gedacht habe“. Mit „Kirche“ wollten sie nichts (mehr) zu tun haben, bekunden manche. Aber, sagt Gunhild Zimmermann, „wenn ich schon in der Tür stehe, beginnt doch noch ein tiefes Gespräch“. Es sei schonmal ein widersprüchliches „Komm her, geh weg!“

Zum ersten Mal stolz auf eigene Lebensleistung 

Manchmal hält auch Glück Einzug. Gunhild Zimmermann berichtete in der Zoomveranstaltung von der Begegnung mit einem älteren Patienten. Wie sich herausstellte, hatte er ein wirklich schweres Leben zu bewältigen: Nach dem frühen Tod seiner Frau zog er fünf kleine Kinder allein groß, neben der Arbeit. Er sei zum ersten Mal in seinem Leben stolz auf seine enorme Lebensleistung, zog der Mann selbst dann sein Fazit.

Nachdem unter anderem auch vom Tod eines Jugendlichen die Rede war, wollte eine Teilnehmerin wissen, wie sich die Seelsorgerinnen eigentlich selbst schützen. „Haben Sie ein Rezept?“ Abgesehen von der guten Ausbildung, abgesehen von Supervision, habe sie gelernt, sich abzugrenzen, so Royek. Wenn sie am Bett eines Sterbenden ein Abschiedsritual mit der ganzen Familie leite, dann „bin ich am darauffolgenden Tag nicht im Haus“. Dann ist Auszeit für sie. Ähnlich Gunhild Zimmermann: Nach einer intensiven Begegnung, die ihr nahe gehe, ziehe sie sich zurück in ihr Büro.

Und dann machen sich die beiden wieder auf den Weg und besuchen ihre Patientinnen und Patienten.