Besucherinnen des SPZ-Cafés spielen Skip-Bo

„Schreiben Sie: Das SPZ ist lebenswichtig!“

von Anna Neumann

15.08.2022

Im Sommer gibt es schonmal Eis. Manchmal wurden auch schon Waffeln gebacken. Diesmal steht ein Kirschkuchen auf der Theke. „Der Kuchen machts zum Café.“


So einfach bringt es Martin Schmidt auf den Punkt, der Leiter des Sozialpsychiatrischen Zentrums (SPZ). Café bzw. Kontaktstelle heißt eines der Angebote des SPZ. Es ist ein Treffpunkt für Menschen mit einer psychischen Erkrankung aus Troisdorf, Lohmar und Niederkassel. Und es ist das niedrigschwelligste Angebot in der Palette der Hilfen des SPZ.

Man kann kommen und wieder umkehren – oder drei Stunden bleiben. Man kann die Zeitung lesen, Radio hören, einen Kaffee trinken, mit anderen Gästen plaudern. Oder einfach noch im Schaukelstuhl ein Nickerchen machen wie ein langjähriger Besucher an diesem sommerlichen Mittwochnachmittag. Andere Gäste sitzen draußen im Garten zusammen.

Die Corona-Lockdowns wirken noch nach, berichtet Schmidt, der ein wegen der Pandemie geschlossenes Haus vorfand, als er die SPZ-Leitung übernahm. „Das Café wiederzubeleben, war nicht leicht. Manche haben bis heute den Antrieb verloren, sich hierher auf den Weg zu machen.“

Zwei Nachmittage die Woche ist in der Emil-Müller-Straße in Troisdorf Café-Zeit. Die Frau, die heute den Kaffee ausschenkt, ist beides: Gast und Expertin, Betroffene und Helferin. Als so genannte Genesungsbegleiterin kann sie in Kliniken und SPZ’s arbeiten – eben dort, wo Menschen mit psychischen Erkrankungen sind. Sie selbst erlitt eine Psychose, berichtet sie freimütig. „Ich kann aus Erfahrung sagen, was in Krisen hilft.“

„Am liebsten geht es mir gut“

Zur Hilfe gehört für sie die dauerhafte Einnahme von Medikamenten. „Einmal habe ich sie abgesetzt. Das hat gar nicht funktioniert. Ich musste ein drei Viertel Jahr ins Krankenhaus.“ Jetzt wirkt die gute medikamentöse Einstellung. Und die Geselligkeit hier im Café.

Als alle versorgt sind, setzt sie sich mit einer anderen Besucherin an den langen Tisch. Sie spielen Skip-Bo. Dabei lassen sie sich gern fotografieren. Aber weil die Medikamente nebenbei leider Gewichtszunahme auslösen, sollen nur die Hände zu sehen sein beim Kartenspiel.

„Man würde gern ohne Medikamente leben, wenn es ginge“, erklärt sie. „Sie verändern einen. Die Energie ist nicht mehr dieselbe, die Gefühle sind nicht mehr so tief wie früher.“

Quer gegenüber sitzt ein Mann mit langem Bart: „Ich sage immer: Am liebsten geht es mir gut.“ Klingt rheinisch-fröhlich. „Haben Sie denn jetzt Ihren Mietvertrag“, hakt Martin Schmidt nach. Und dann zeigt sich, dass die Geschichte lang, frustrierend und noch keineswegs ausgestanden ist.

Die Gäste plaudern, geben einander Tipps

Die Gäste halten sich auf dem Laufenden, was sie beschäftigt. Und immer wieder versorgen sie einander mit Tipps. Wohnen ist für mehrere ein großes Thema. „Geh ins BeWo“, ins Betreute Wohnen, mahnt eine Frau einen Mann, der MS hat und darauf angewiesen ist, barrierefrei unterzukommen. Eine andere Frau schlägt ihm vor, sich für einen Platz für das Seniorenheim ganz in der Nähe des SPZ zu bewerben. Das will er nicht, dieser Mann, der noch gar kein Senior ist: „Das zieht mich runter.“

Sie habe kein Verständnis dafür, dass der Staat nicht mehr tue für Menschen wie ihn, der eine preisgünstige Bleibe ohne Treppen braucht, hebt eine die Frau das Thema auf die politische Ebene.

Für die, die da sind, lohnt der Besuch des SPZ-Cafés auf jeden Fall: „Unter Menschen sein“, das ist ihr Grund, warum sie herkommt, erklärt eine Besucherin. Ihre Erläuterung fällt kurz aus: Familie – hat sie nicht. Arbeit – hat sie nicht. Auch die Frau, die dem MS-Patienten zum BeWo rät, erklärt es schlicht und ähnlich: „Bekannte treffen“. Allein zuhause bleiben „macht ja auch krank“.

Gemeinschaft und Hilfe

„Schreiben Sie: Das SPZ ist lebenswichtig“, mischt sich der Café-Besucher mit dem Bart ein. Denn zur Erkrankung komme die Einsamkeit hinzu. „Wenn es das SPZ nicht gäbe, würde es mich nicht mehr geben.“ Hier finde er Gemeinschaft und Hilfe.

Auch er kämpft mit einer Psychose. Früher hatte er einen Job bei einem Kurier-Dienstleister. „Nichts mehr zu verdienen, ist auch eine Scham.“ Wegen einer Eigenbedarfskündigung ist er nun auf Wohnungssuche. Diese werde immer mehr zur „Zitterpartie“.

Der Mann hat ein blaues Kreuz umhängen. Das Beten helfe ihm noch. Und das SPZ gebe ihm Halt.

Jubiläum! Das SPZ gehört zur Diakonie An Sieg und Rhein, die ihr 75-jähriges Bestehen feiert.

 

Links

Kontaktstelle/SPZ-Café auf der Diakonie-Website und bei Instagram