Martin-Luther-Bildnis von Lucas Cranach d.Ä.
Martin-Luther-Bildnis von Lucas Cranach d.Ä. Quelle: commons.wikimedia.org

Luther zur Ökumene – ein Baum ins Haus

von Redaktion EKASuR

23.08.2022

Ökumene gilt als der Versuch, kirchliche Spaltungen aus vergangenen Jahrhunderten zu überwinden. Aber was würde einer von denen sagen, die solche Spaltungen mitausgelöst haben?


Lutherexpertin Prof. Dr. Athina Lexutt spekuliert darüber, was der Reformator Martin Luther antworten würde, wenn man ihn auf die ökumenischen Verständigungsversuche der Gegenwart ansprechen würde.

 

Luther wäre not amused. Gut, zugegeben, das ist ein wenig Spekulation. Aber vieles von dem, was wir heute dazu sagen und denken und machen, wäre ihm wohl gar nicht recht. Vieles würde er für einen faulen Kompromiss halten oder als weichgespült verdächtigen. Luther ging es um was – und zwar um nichts Geringeres als um die Wahrheit. Bei der Wahrheitsfrage kannte Luther, der so Humorvolle, keinen Spaß – und wenn er die Zähne zeigte, dann nicht zum Lächeln.

Hätte Luther Franziskus gemocht? Eher nicht!

Wenn man heute so oft hört, dass er Papst Franziskus sicher gemocht hätte, weil der so ganz anders zu sein scheint als seine Vorgänger, dann wage ich daran zu zweifeln. Denn auch dieser Papst lebt, regiert und lehrt ganz aus dem Amtsverständnis der römischen Kirche heraus. Luther hat sich nicht an Personen geärgert, an konkreten Päpsten, sondern am Papsttum generell. Und er hat auch nicht so um sein Rechtfertigungsverständnis gekämpft, weil ihm das irgendwann so ans Herz gewachsen war, sondern weil dieses Verständnis allein klar macht, wer Jesus Christus für jeden Einzelnen von uns ist.

Drei Ratschläge für ökumenische Bemühungen

Was würde Luther uns also heute für unser ökumenisches Bemühen mitgeben? Ich denke, vor allem dreierlei: 1. Ringt um das rechte Verständnis der Schrift! Bewegt Euch nicht zwischen Tradition und Innovation, zwischen Konservativ und Progressiv – Euer Maßstab ist die Schrift allein! 2. Richtet Euch nach dem Heiligen Geist aus, nicht nach dem Zeitgeist! Wahrheit kann unbequem sein und tritt Menschen auf die Füße. Maßvoll im Umgang miteinander zu sein bedeutet nicht, in der Sache die Hartnäckigkeit aufzugeben. Und in der Gegenwart anzukommen, meint nicht, neue Wahrheiten zu schaffen, sondern die alten Wahrheiten in eine der Zeit verständliche Sprache zu übertragen. 3. Nehmt die Sache ernst, nicht Euch selbst! Geht aufeinander zu, aber verschmelzt nicht bis zur Unkenntnis miteinander! Macht die Unterschiede klar, denn die sind bereichernd! Lebt Eure Vielfalt und werdet eins, aber nicht einheitlich – eindeutig, aber nicht uniform! Und lasst einzig Christus in Eurer Mitte sein, der Euch eine Einheit ist und Einheit schenkt, von der Ihr nicht einmal träumen könnt!

Luthers Ratschlag, wie ein Baum ins Haus zu bringen sey

Und denkt dabei an mein Wort: „Wenn man einen Baum mit vielen knorrigen Ästen und Zweigen abgehauen hätte und man wollte ihn in ein Haus oder in eine Stube bringen, dann dürfte man ihn nicht vorn beim Wipfel anfassen und hineinziehen wollen; denn dann würden sich die Äste sperren und zurücklegen, denn sie stünden dann gegen das Haus oder die Stube. […] Sondern so müsste man tun: Den Baum müsste man am Stamm […] anfassen; denn da stünden alle Äste von der Tür ab. Und dann müsste man den Stamm zur Tür hineinziehen. Dann beugten sich alle Äste fein zusammen, und man könnte den Baum ohne alle Mühe, Beschwerde und Arbeit ins Haus bringen. So soll‘s auch zugehen, wenn man Einigkeit zuwege bringen will. Da muss einer dem andern nachgeben und nachlassen.“ (WA.TR 6, Nr. 6962, 295)

Fortsetzung folgt:
Zur ÖRK-Vollversammlung 2022 bietet ekasur.de eine Reihe mit Beiträgen an.

 

Link

vor der ÖRK-Vollversammlung