Kreissynode: Kirchenkreis unterstützt Rettung Geflüchteter im Mittelmeer und den Kampf um weltweite Impfgerechtigkeit

von Anna Neumann

13.06.2021

Der Evangelische Kirchenkreis An Sieg und Rhein setzt Zeichen - für die Rettung von Geflüchteten im Mittelmeer und für die Versorgung mit Corona-Impfstoff von Menschen in wirtschaftlich armen Ländern.


Die evangelische Kirche in der Region Sieg und Rhein spricht sich öffentlich für die zivile Seenotrettung im Mittelmeer aus; für die Rettung von Menschen, die versuchen, nach Europa zu fliehen. Konkret: Der Evangelische Kirchenkreis An Sieg und Rhein wird Bündnispartner von „United 4 Rescue“, einem gemeinnützigen Verein für Seenotrettung. Das hat die Kreissynode auf ihrer Tagung am Samstag beschlossen.

Eine Entscheidung „mit Signalwirkung“, wie Superintendentin Almut van Niekerk sagte. „United 4 Rescue“ hat mittlerweile zwei Schiffe, die zusammen rund tausend Menschen gerettet haben. Die Bündnispartnerschaft ist eine ideelle Unterstützung. Das Bündnis zählt mittlerweile hunderte Partnerorganisationen.

Einsatz für Impfgerechtigkeit

Auch eine weitere Entscheidung der Kreissynode hat mit praktischer christlicher Nächstenliebe für Menschen zu tun: Impfen gegen Covid 19. Mit klarer Mehrheit nahm die Kreissynode einen Antrag zum Thema „Impfgerechtigkeit“ an – und kritisiert die bislang ungerechte Verteilung der Impfstoffe weltweit. Der Beschluss hat primär die Politik zum Adressaten: Patentschutz auf Corona-Vakzine soll vorübergehend ausgesetzt, produktionstechnisches Wissen via Weltgesundheitsorganisation weitergegeben und so bewirkt werden, dass Menschen auch in wirtschaftlich armen Ländern schnell geimpft werden können.

Eine Entscheidung – nicht ohne nachdenkliche Rückfragen in der Debatte, die der Abstimmung vorausging: Patente dienten doch dem Schutz geistigen Eigentums. „Es braucht Anreize zu forschen“, meinte eine Abgeordnete. Die Produktion von Corona-Impfstoffen sei doch eine komplexe Sache, sie in bestimmten Ländern aufzubauen also kompliziert, sagte ein anderer Abgeordneter und fragte: „Ist das der beste Weg?“

Der mögliche und der schnellste Weg, antwortete Helmut Müller, Pfarrer für internationale Ökumene. Wichtig sei, das Know How jetzt zur Eindämmung der Pandemie zu transferieren. Der Theologe mahnte, sich auf diese Weise für Benachteiligte einzusetzen. Es gehe um Gerechtigkeit und die Würde der Menschen.

Explodierende Corona-Zahlen in Namibia

Angesprochen wurde auf der Synode auch das Schicksal von Partner*innen: Der Kirchenkreis An Sieg und Rhein ist mit dem Kirchenkreis Tsumeb in Namibia verbunden. Die dortige Superintendentin hätte als Gast an der hiesigen Kreissynode teilnehmen wollen; die Kreissynode tagte zum zweiten Mal digital, zuschalten aus Tsumeb wäre ein Leichtes. Zwei Beerdigungen von Menschen, die an Covid 19 gestorben sind, verhinderte ihre Teilnahme. Die Pandemie wütet in Namibia. „Die Zahlen explodieren in Namibia“, berichtete besorgt Superintendentin van Niekerk.

Passenderweise war die Kollekte im Eröffnungsgottesdienst der Kreissynode auch dem Thema weltweite Impfgerechtigkeit gewidmet. Konkret soll sie an das Deutsche Institut für Ärztliche Mission (Difäm) gehen. „Wir müssen reden…“ lautete der Titel des Gottesdienstes, der live aus der Johanneskirche in Troisdorf gestreamt wurde.

Reden – aber klar

Verständlich formulieren, nicht nur in der Church Bubble bekannte Worte verwenden, Klartext reden – diese Aspekte umkreisten Pfarrerin Ute Krüger und Pfarrer Stefan Bergner in ihrer Dialogpredigt. Ihr Plädoyer: Gottes Wort weitersagen, dafür gern auch neue Formate und eine neue Sprache finden.

Grundlage ihrer Predigt „Wir müssen reden…“, die ja auch als Anspielung auf die bevorstehenden Wortwechsel auf der Kreissynode zu hören war, ist ein Abschnitt aus der Bibel aus einem Brief des Apostels Paulus (1 Kor 14, 1-12.17.26). Dort mahnt der Apostel zu verständlicher Rede.

Ein Eröffnungsgottesdienst mit Abschied: Stefan Bergner, Gemeindepfarrer in Aegidienberg, wurde aus seinem zusätzlichen Amt im Kreissynodalvorstand verabschiedet, er benötigt mehr Zeit für die Fusion der Gemeinden im Siebengebirge.

Nachwahlen

Und so gehörte seine Nachwahl zu den weiteren Tagesordnungspunkten der Kreissynode im Laufe des Samstags. Zum zweiten stellvertretenden Scriba, so der genaue Titel, bestimmte die Synode nun David Bongartz, Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Sankt Augustin Niederpleis und Mülldorf.

Zu wählen hatte die Synode außerdem noch Stellvertretungen. Für die Landessynode, dem obersten Entscheidungsgremium der Evangelischen Kirche im Rheinland, wurden dazu Pfarrer Thomas Weckbecker (Wahlscheid), Pfarrer Ingo Zöllich (Troisdorf) und Simon Schilling (Lohmar) gewählt. Neue stellvertretende Mitglieder im Kreissynodalvorstand sind nun Petra Biesenthal (Hennef) und Markus Hausen (Siegburg). Christina Schramm (Hennef) wurde in den Kreisdiakonieausschuss nachgewählt.

Grundverständnis der Konzeption beraten

Ausführlich befassten sich die 130 anwesenden Mitglieder der Kreissynode mit der Entwicklung einer neuen Konzeption für den Kirchenkreis. Dabei lag ihnen jetzt zunächst einmal der Entwurf eines Grundverständnisses und von Schwerpunkten vor, erarbeitet von einer Arbeitsgruppe, in einer Abstimmung schließlich mehrheitlich bestätigt und damit nun auch mit Konkretisierung beauftragt. „Evangelisch an Sieg und Rhein“ – das umfasst demnach u.a. das gemeinsame Ziel, Relevanz von Kirche in der Region zu erhalten und auszubauen. Den Menschen weiterzugeben, wo der Gottesgedanke bewegt und stärkt. Auf Vielfalt zu achten.

„Ein großes Wir“ soll wachsen. Die Kirche an Sieg und Rhein will Nähe und Gemeinschaft schaffen, das Evangelium verkünden, danach leben und handeln, Menschen in Notlagen Hilfe bieten. Das Wir-Gefühl soll Kraft geben. Netzwerkarbeit soll Bestandteil des Handelns sein, Digitalisierung selbstverständlich unterstützen. Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung gehören zu den Schwerpunkten der kirchlichen Arbeit, so wird es weiter vorgeschlagen.

Hört sich noch nicht alles wirklich plastisch an? Kann es nicht. Für den 25. September ist deshalb ein sog. Operationalisierungsworkshop geplant. Dann sollen Grundverständnis und Schwerpunkte konkretisiert werden. Wenn alles gut gelingt, wird der Herbstsynode am 6. November dann eine vollständige Konzeption zum Beschluss vorgelegt.

Debatte über Oster-Lockdown

Einige Zeit nahm auf der Kreissynode auch eine Diskussion in Anspruch, die sich am Bericht von Kreissynodalvorstand und Superintendentin entzündete. Das Thema: Aussetzung von Gottesdiensten während der Corona-Lockdowns, vor allem zuletzt zu Ostern in diesem Jahr. „Ich hätte mir gewünscht, Westfalen zu sein“, sagte zugespitzt die Siegburger Pfarrerin Ruth Wirths. So unterstützte sie das Vorgehen der benachbarten Evangelischen Kirche von Westfalen, die zum Oster-Lockdown 2021 Gottesdienste landeskirchlich ausgesetzt hatte.

„Mit welchem Recht haben wir geöffnet?“ fragte Wirths rhetorisch. Genauso Pfarrerin Editha Royek, die sich eine landeskirchenweite Entscheidung gewünscht hätte. Und ein Nein. Aus Solidarität mit den Menschen und Organisationen, die nicht öffnen durften. Wirths und die Overather Pfarrerin Martina Palm-Gerhards beklagten, dass es einen „Flickenteppich“ der Entscheidungen gegeben habe.

Ganz anders zum Beispiel Pfarrerin Heike Lipski-Melchior aus Bonn-Beuel: Sie dankte und fand es „sehr gut“, dass in der rheinischen Landeskirche die Entscheidung über die Gottesdienste bei den Presbyterien verblieb, den gewählten Gemeindeleitungen. „Wir haben vielen Menschen Heimat geboten.“ Ähnlich Pfarrerin Katherina Plume aus Troisdorf, die zuvor lange in Brandenburg und Berlin tätig war: Die Verantwortung in den Gemeinden zu belassen sei anstrengend – „aber es gefällt mir hier gut“.

Dr. Christian Jung (Hennef-Uckerath) votierte klar für die Entscheidungshoheit der Presbyterien: „Ich fand es sehr stark von der Landeskirche, das zu ermöglichen“. Protestantismus sei vielstimmig. Jungs Kurzfassung: „Sehr anstrengend, sehr protestantisch, Daumen hoch!“

Synodalbeauftragungen neu geordnet

Zu den weiteren Beschlüssen der Kreissynode gehört die Neuordnung ihrer Synodalbeauftragungen. Vorbereitet von einer Arbeitsgruppe, nahm die Synode eine neue Liste der Themen auf. Außerdem entschied sie, die Aufgaben näher zu beschreiben. Damit soll insgesamt eine höhere Wirksamkeit erreicht werden. Entsprechend des neuen Konzepts werden dann im Herbst die Beauftragten gewählt.

Ein Grußwort zu Beginn der Kreissynode kam von Dietmar Pistorius, lange Jahre selbst Pfarrer im Kirchenkreis und seit gut einem Jahr im benachbarten Bonn Superintendent. Er mahnte, nicht bei einem „eigentlich“, beim Wünschenswerten stehen zu bleiben. Die Kirche solle vielmehr „in der Welt wirksam sein“.

Links

Video des Gottesdienstes, Infos zur Kollekte und Info über die Kreissynode

Link

United 4 Rescue