Plenarsitzung der Kreissynode in der Aula der Steyler Missionare in Sankt Augustin.

Kreissynode – Bleibt fröhlich in der Hoffnung

von Anna Neumann

06.11.2022

Gemeinsame Pilgertouren in der Region an Sieg und Rhein anbieten. Taufe, Trauung und Bestattung so gestalten, dass sie den Menschen und ihren Wünschen noch einmal besser entgegenkommen.


Als evangelische Kirche sichtbarer für die Menschen da sein und für den Glauben werben, um dem allgemeinen Trend des schwindenden Rückhalts von Institutionen mehr entgegenzusetzen. Das sind Ergebnisse der Kreissynode An Sieg und Rhein, die am Freitag und Samstag in Sankt Augustin getagt hat.

Die rund 150 Mitglieder der Kirchenversammlung verabschiedeten außerdem den Haushalt für das kommende Jahr. Die Etatplanung gilt für den Evangelischen Kirchenkreis An Sieg und Rhein, seine Diakonie, das Evangelische Jugendwerk Sieg • Rhein • Bonn sowie das Kindertagesstätten-Referat – also alle übergemeindlichen Aufgaben in der Region mit den 28 evangelischen Gemeinden. Geplant wird für 2023 mit Kirchensteuereinnahmen in Höhe von rund 25 Millionen Euro. Die Umlage der Gemeinden für die gemeinsamen Aufgaben soll, so der Beschluss, im nächsten Jahr bei 23,9 Prozent liegen.

Verluste und neue Aufbrüche

Die Kreissynode sei sinnbildlich eine Raststelle, sie bietet die Gelegenheit zum Rückblick auf die vorige Etappe und den Ausblick auf den nächsten Streckenabschnitt – der ziemliche Steigungen aufweise. So führte Superintendentin Almut van Niekerk in den Bericht des Kreissynodalvorstandes (KSV) ein. „Jeder Verlust schwächt uns“, erklärte die leitende Theologin angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Mitglieder zuletzt auf rund 105.000 gesunken ist. Neue Aufbrüche, angeregt auch durch die neue Konzeption des Kirchenkreises, seien dagegen ermutigend.

Von erfreulichen Ereignissen in den zurückliegenden Wochen und Monaten ist im KSV-Bericht selbst auch die Rede, ein der Synode schriftlich vorgelegter Text. Taufen, Konfirmationen und Trauungen konnten (nach-) gefeiert werden. Es gab Gemeindefeste und Konfi-Camps, Chor- und Jugendfreizeiten. Benannt sind auch die großen Sorgen: die Pandemie, der russische Angriffskrieg, die im Dürre-Sommer mit den niedrigen Flusspegeln sichtbare Klimakatastrophe, die rasanten Preissteigerungen bei Lebenshaltungs- und Energiekosten.

Aussprache und weitere Berichte

Dass die Kirche bis 2035 treibhausgasneutral werden soll, wie es die Landessynode festgelegt hat, war das erste Thema aus dem KSV-Bericht, das in der Aussprache über den Bericht aufgegriffen wurde: Dies sei sehr wichtig, aber auch sehr schwierig, so ein Gemeindepfarrer. „Wie sollen wir das schaffen?“ Ein anderer hakte nach, wie es um die landeskirchliche Unterstützung bei diesem Vorhaben steht. Die Superintendentin erläuterte, das Landeskirchenamt habe in dieser Sache bislang leider noch keine Vorlage geliefert, die für uns Klarheit schafft. Bei der im Januar anstehenden Landesssynode sollen allerdings entsprechende Dokumente vorliegen. 

„Bedrückend zu lesen“, so die Rückmeldung von einer Gemeindepfarrerin auf einen Abschnitt des Berichts, in dem der KSV aus Transparenzgründen skizziert, dass und warum er am Rande der Belastungsgrenze arbeitet. Die sehr große Fülle an Themen führe manchmal über die Grenze des Machbaren. Hintergrund der hohen Belastung sind u.a. fehlende personelle Entlastung.

„Gut aufgestellt“ ist die Diakonie An Sieg und Rhein, wie in ihrem Bericht explizit vermerkt ist. Insbesondere ist sie dabei, sich auf den Megatrend Digitalisierung ein- und umzustellen. Strategisch konzentriert sich die Diakonie darauf, Klient*innen mit integrierter Sozialarbeit zu helfen, weil immer mehr Menschen mit gehäuften Problemen zu kämpfen haben. 

Im Bericht des Jugendwerks werden noch einmal die schweren Folgen der Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche deutlich, vor allem ihre Isolation. Mit neuen Arbeitsschwerpunkten etwa bei den digitalen Medien setzt das Jugendwerk aktualisierte Schwerpunkte. 

Impulse für Aktionen

Miteinander in Bewegung kommen – das ist für KSV-Mitglied Doris Hochschild eins der Ziele der geplanten Aktion Pilgern im Kirchenkreis. Die aus dem Prozess der Umsetzung der neuen Konzeption erwachsene Initiative ist als offenes Angebot gedacht. Eine erste Tour ist für Juni nächsten Jahres in Planung.

Eine zweite Initiative gilt dem Kirchenasyl, eine Arbeit, der die Initiatoren größere Akzeptanz im Kirchenkreis wünschen. Sie hoffen, dass sich die Aufgabe auf mehrere Schultern verteilt. „Kirchenasyl ist kein Rechtsbruch, sondern ein vereinbartes Instrument gegen ungerechtfertigte Abschiebungen“, erklärte Pfarrerin Dr. Katharina Stork-Denker. Kirchenasyl biete die Gelegenheit, einen Einzelfall noch einmal zu überprüfen, biete Geflüchteten „eine letzte Chance“. Stork-Denker: „Hier können wir ganz konkret Hilfe leisten.“ Zwei Betroffene stellten sich der Kreissynode vor: Niloofar Pazaveh und Mahadod Aghaeidoost flohen vor vier Jahren aus dem Iran. Beinahe wären sie in ein ganz anderes Land abgeschoben worden. Dank des Kirchenasyls in einer Gemeinde im Nachbarkirchenkreis Bonn und der damit einhergehenden Überprüfung wurde die Entscheidung berichtigt: Das Paar lebt heute legal in Deutschland.

Eine mögliche Seelsorgeausbildung für Ehrenamtliche ist die dritte Initiative, die aus der Konzeption entstanden und auf der Kreissynode vorgestellt wurde. Ehrenamtliche zusätzlich zu Pfarrerinnen und Pfarrern für Seelsorge zu qualifizieren, helfe, das Seelsorgeangebot insgesamt zu stabilisieren, erklärte KSV-Mitglied Petra Biesenthal. Zurzeit läuft eine Umfrage, um den Bedarf systematisch zu klären.

Kasualien sollen Freude bereiten

„Segens-Räume. Aktuelle Veränderungen in der Kasualpraxis“ war der Vortrag von Dr. Frank Peters betitelt. Der Dezernent für Gottesdienst und Lebensordnung im Düsseldorfer Landeskirchenamt stellte den vier Kasualien Taufe, Konfirmation, Trauung und Bestattung vielfältige „neue“ hinzu, beispielsweise Segensfeiern zur Geburt, Einschulungsgottesdienste oder auch Feiern zum Eintritt in den Ruhestand. Man wisse: „Kasualerfahrungen bleiben in Erinnerung.“ Umso wichtiger, dass es positive sind. Sein Appell: „Kasualien sollen Freude machen.“

Formaler Anlass für dieses Synodenthema ist die anstehende Reform der Kirchenordnung, die u.a. eine Liberalisierung der Kasualien beinhalten könnte. Doch schon allein die Entwicklungen setzen das Thema auf die Agenda, wie Peters deutlich machte. „Die Konkurrenz schläft nicht“, sagte er. So engagieren Menschen immer öfter freie Trau- und Trauerredner.

Begeisternder werben

Was tun? Aus Sicht der Referenten hilft zu beachten: „Die Mitglieder wollen nicht Kunde genannt werden, aber sie verhalten sich so.“ Das löse Spannungsfelder aus: Taufe, Trauung und Co. sollen möglichst individuell gestaltet werden, aber doch auch Zusammenhalt bieten. Sie sollten zugleich innovativ und traditionell ausfallen. Am liebsten würden sie als Privatfeier gestaltet werden, die aber auch Zusammengehörigkeit schafft.

Immer häufiger möchten Mitglieder die Kirche als Dienstleister in Anspruch nehmen. Die Gemeinden müssten „nicht alles möglich machen“, so Frank Peters, sollten aber auch nicht Wünsche einfach abschlagen. Empfiehlt als „goldene Regel“: Interpretation vor Konfrontation. Wünsche erst einmal verstehen, verloren gegangenes religiöses Wissen durch Erläuterungen füllen und „bewusster, deutlicher, begeisternder werben“.

„Auf die Leute zugehen“

Bin ich als getaufte Christin vor allem Mitglied einer Ortsgemeinde oder Teil der weltweiten Kirche? Diese unterschiedlichen Wahrnehmungen wurde in einer der Gesprächsrunden im Anschluss an der Vortrag von Frank Peters diskutiert. Mitglied der Kirche? „Das erlebe ich völlig anders, das teile ich überhaupt nicht“, meinte ein Gemeindepfarrer.

Er schon, erwiderte ein Kollege; allein schon die lebenslange Mobilität der meisten Menschen führe dazu, dass die Gemeindebindung abnehme. Nur wer noch ein Haus baue, bleibe ein paar Jahre länger, stimmte eine Frau zu. „Die Bindung an die Ortsgemeinde löst sich auf.“

Darf also samstags getauft werden – oder muss es sonntags im Gemeindegottesdienst sein, damit der Täufling eben in die Gemeinde hinein aufgenommen wird? Auch das wurde in der Runde diskutiert. Eine Presbyterin berichtete, dass ihr die Samstagstaufe ihres Sohnes tatsächlich vom Pfarrer verwehrt wurde. Statt auf die Leute zuzugehen, verprelle man sie, so ihre Kritik.

Auch die Chancen wurden in der Diskussionsrunde deutlich. Ein Gemeindepfarrer sagte: „Meine Beerdigungsfeiern sind größer als die Sonntagsgottesdienste.“ Welch gute missionarische Gelegenheiten.

„Der Kunde ist König, aber nicht Diktator“, hatte Referent Frank Peters zugespitzt formuliert. „Wir müssen mit der Zeit gehen“, forderte nun in der Diskussion eine Frau. Doch wie weit soll die Kundenfreundlichkeit gehen, wurde bei ihrer Nachbesprechung des Vortrags diskutiert. Und mit Erlebnissen unterfüttert: Die Hochzeit, wo der Hund den Trauring apportiert – okay? Bei einer Beerdigung das Lied „Die Karawane zieht weiter“ singen lassen – geschmacklos?

Andere Frage: Dürfen Nichtmitglieder bzw. Ausgetretene kirchlich getraut werden? Auch die Hochzeit des Bundesfinanzministers wurde thematisiert. „Schwierig“, findet eine Gemeindepfarrerin, obwohl die Trauung nach evangelischem Verständnis kein Sakrament ist. In solchen Fällen lassen sich in der Praxis Lösungen finden, wenn sich ein gemeinsamer Weg entwickelt, erklärte ein Gemeindepfarrer. Sein Beispiel: Eltern, die nicht in der Kirche sind, möchten ihr Kind taufen lassen. Er lehnt nicht ab, sondern schlägt vor, die Taufe zu verschieben. Sieht er das Kind über die Jahre in Schulgottesdienst und Konfirmandenarbeit, dann sei die Taufe dran.

Kennzahlen 

Die rückläufigen Mitgliederzahlen wurden noch einmal Thema beim Tagesordnungspunkt Kennzahlen. Die Austrittszahlen stiegen, die Eintritte sanken. Pfarrer Dr. Stefan Heinemann vom KSV nennt die Entwicklung einen „langsamen großen Erdrutsch“, ein „Warnzeichen“. Vergleichszahlen mit Parteien und Gewerkschaften zeigten: Die Kirche ist „Teil des großen Trends Deinstitutionalisierung“. Doch trotzdem stellt sich die Frage: Was tun? Auf Aktivitäten schauen, die Menschen begeistern, beispielsweise kirchliche Experimente in „Erprobungsräumen“ und „FreshX“, meinte ein Synodaler. Die Arbeitsgruppe Kennzahlen des KSV wird Best Practice aus Gemeinden mit positiver Entwicklung weitergeben.

Wahlen

Pfarrer Thomas Weckbecker aus Wahlscheid wird künftig vom Kirchenkreis zur Landessynode delegiert. Als weiteres stellvertretendes Mitglied wählte die Kreissynode Prof. Dr. Marion Keuchen in die Landessynode, sie kommt aus Siegburg, arbeitet als Dozentin im Pädagogisch-Theologischen Institut (PTI). Pfarrerin Tanja Harrenberger aus Hennef wurde als zweite Synodalbeauftragte für Seniorenarbeit und Altenheimseelsorge gewählt. Hella Blum aus Heisterbacherrott, ehemalige Studienleiterin der Evangelischen Akademie im Rheinland, ist neu in den Ausschuss für Erwachsenenbildung hineingewählt.

Grußworte

In Bezug auf das Thema Taufe berichtete Pater Martin Welling in seinem Grußwort an die Synode von der hohen Zahl von Taufen in China. Und zog daraus eine Ein-Wort-Mahnung: „Nachmachen!“ Als stellvertretender Rektor der Hochschule der Steyler Missionare hieß der die Kreissynodalen willkommen – schließlich tagte die Kreissynode diesmal in der Kirche und der Aula der Steyler.

Die „große Runde in vertrauten Räumen“ grüßte auch Kreisdechant Hans-Josef Lahr. Er nannte die Beratungen der Synode bewundernswert. Bei den Herausforderungen dürften wir auch darauf vertrauen, dass Gott „hinter uns steht“.

Tauferinnerungsgottesdienst 

Eine der Kasualien, die Taufe, war das verbindende Thema der beiden zentralen spirituellen Teile der Kreissynode. Sie begann mit einem Tauferinnerungsgottesdienst. Dazu gehörte eine Zeremonie, bei der die vier Pfarrerinnen und Pfarrer jede und jeden einzelnen in Erinnerung an ihre Taufe persönlich mit ihrem Namen ansprachen, auf der Stirn bekreuzten und ihnen einen in Wasser getunkten Stein mit eingeritztem Kreuz mitgaben.

Die Taufe ist ein Geschenk Gottes – „für mich blieb es lange umausgepackt“, bekannte Pfarrerin Dr. Katharina Stork-Denker in einem der vier Predigtimpulse. Das änderte sich über Diskussionen im Theologiestudium und durch Lebenserfahrungen, beschrieb sie. Von einem jungen obdachlosen alkoholkranken Mann berichtete Pfarrer Jens Römmer-Collmann. Einfach traurig, dass ein Leben so laufen kann und Hilfe nicht greift. „Ein Kreuz baumelt an seinem Hals. Das Geschenk unserer Gemeinde zu seiner Konfirmation.“ Und dann überraschend ein neuer Anlauf, ein Entzug. Der Taufspruch des Mannes: „Bleibt fröhlich in der Hoffnung…“

Bibelteilen

Der biblischen Geschichte von der Taufe des äthiopischen Kämmerers (Apg 8,26-40) galt das Bibelteilen zu Beginn des zweiten Synodentages. In Gruppen lasen die Teilnehmenden die Geschichte Reih um, teilten Einfälle und Gedanken dazu. In der Besprechung dazu inspirierte die biblische Frage „Versteht Du, was Du da liest?“ zu vielfältigen Ideen, wie fundamentale Zusagen und Zusammenhänge des Glaubens besser kommuniziert werden können. Neben dem Bildungsaspekt wurde die Niedrigschwelligkeit des Taufangebots diskutiert. Klar wurde: Wir sollten besser signalisieren, was für ein Geschenk die Taufe ist und Menschen dafür begeistern.

 

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