Berivan Sesen (links) und Onenta Santentinai, Schülerinnen am Carl-Reuther-Berufskolleg in Hennef. Foto: Theresa Demski

Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen – Bänke mit Signalkraft

von Redaktion EKASuR

25.11.2022

Onenta Santentinai streicht vorsichtig mit ihren Fingern über den Lack. „Ich habe das mit Herz gemalt“, sagt die 21-Jährige und blickt auf das orangefarbene Holz unter ihren Fingern.


Jeder Pinselstrich sei ihr wichtig gewesen. „Denn die Bänke haben eine Botschaft“, ergänzt ihre Mitschülerin Berivan Sesen. Onenta nickt. „Wir stehen zusammen auf gegen Gewalt an Frauen“, sagen sie. „Das wollen diese Bänke ausdrücken.“ Berivan Sesen und Onenta Santentinai haben selbst Gewalt erlebt, sie kennen das Gefühl der Machtlosigkeit und der Traumabewältigung. Auch deswegen liegen ihnen diese orangen Bänke, die in den vergangenen Wochen am Carl-Reuther-Berufskolleg in Hennef entstanden sind, so am Herzen.

Pünktlich zum „Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ am 25. November werden die Schülerinnen die Bänke an Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner und den Superintendenten des Evangelischen Kirchenkreises Bonn, Dietmar Pistorius, übergeben. Sie sollen dann einen Platz in der Stadt finden – als Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen und für gesellschaftliche Courage.

Sichtbares Zeichen im öffentlichen Raum

Am Rand der Bühne wird beim großen Festakt in Bonn auch Schulpfarrerin Eva Zoske-Dernóczi stehen, die das Projekt als Leiterin der Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ auf den Weg gebracht hat. „Auch ich habe diese Aktion mit viel Herz begleitet“, sagt sie und erzählt die Geschichte der Initiative, die bereits im vergangenen Jahr begann: Damals habe sie gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragen im Rhein-Sieg-Kreis über eine Aktion zum „Orange Day“ – dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen – gesprochen. Die Bank-Idee entstand, um im öffentlichen Raum ein sichtbares Zeichen setzen zu können. Und Eva Zoske-Dernóczi holte Kolleg*innen und Schüler*innen mit ins Boot.

Aktion 2021 verbreitete sich bis nach Großbritannien

Es entstanden 16 orange Bänke, die im ganzen Rhein-Sieg-Kreis aufgestellt und beworben wurden. In das Holz hatten die Schüler*innen Sprüche gefräst, die Mädchen und Frauen Mut machen sollten, gegen Gewalt aufzustehen. Und die auch alle anderen Menschen, die auf den orange lackierten Bänken Platz nehmen, daran erinnern, dass Gewalt gegen Frauen immer noch zum Alltag vieler Mädchen und Frauen gehört. „Die Aktion hat im vergangenen Jahr hohe Wellen geschlagen“, erzählt Eva Zoske-Dernóczi. In Großbritannien wurde ein Verein gegen häusliche Gewalt durch das Internet auf die Aktion aufmerksam und erkundigte sich bei der Schulpfarrerin danach. Auch aus anderen deutschen Städten kamen Anfragen zur Umsetzung. Und viele Menschen im Rhein-Sieg-Kreis nahmen seitdem auf einer der Bänke Platz.

Aktionswoche begleitet die Übergabe der Bänke

„Die gute Resonanz hat uns zu einer zweiten Auflage ermutigt“, erzählt Eva Zoske-Dernóczi. Dieses Mal kooperiert die Schulpfarrerin für die Initiative „Stop Sit Speak!“ vor allem mit dem Evangelischen Forum Bonn, das die Übergabe der Bänke mit einer Aktionswoche seit dem 22. November flankiert. In diesem Rahmen werden alle zwölf Bänke auch auf dem X-tra Platz vor der Kreuzkirche im Bonner Zentrum als Installation aufgestellt.

Lackieren, fertigen, zusammenschrauben

Vor allem aber die Schüler*innen ließen sich auch ein zweites Mal für das Projekt „Orange Bänke“ begeistern. „Jeder macht das, was er gut kann“, erklären Berivan Sesen und Onenta Santentinai, die die Klasse der Berufsfachschule für Farbtechnik und Raumgestaltung am Carl-Reuther-Berufskolleg besuchen. Inzwischen haben sie und ihre Mitschüler*innen alle Bänke lackiert. Und auch ihre Kolleg*innen aus der Metalltechnik haben ihre Arbeit bereits erledigt und die Bankbeine gefertigt. „Jetzt müssen einige Exemplare noch zusammengeschraubt werden“, erklärt Onenta Santentinai. Und dafür sind die Schülerinnen und Schüler der Klasse der Berufsfachschule Holztechnik zuständig, die gemeinsam mit einer Klasse der Ausbildungsvorbereitung auch die ersten Holzarbeiten übernommen hatten.

Auf Plaketten finden sich Infos zu Beratungsstellen und Hilfetelefonen

Wer ihnen an diesem Nachmittag über die Schulter blickt, erkennt auch hier eine besondere Motivation: Eigenständig sind sie mit Akkuschraubern und Schrauben am Werk, um die Holzleisten an den Beinen zu befestigen. Werkstattlehrer Ingo Nebel blickt ihnen gelegentlich über die Schulter. In die Holzlehnen der Bank haben die jungen Erwachsenen auch in diesem Jahr verschiedene Sätze eingefräst: „Kein Platz für Gewalt an Frauen“ und „Stoppt Gewalt an Frauen!“. Auf zwei Plaketten an der Bank finden sich die Kontaktdaten für Beratungsstellen und Hilfetelefone. Jede einzelne Bank wolle so von der Gewalt erzählen, die Frauen angetan werde, sagen die Schülerinnen, im Alltag, in der Partnerschaft, im Beruf, an unzähligen Stellen im Leben. „Und dann wollen diese Bänke sie ermutigen“, betont Berivan Sesen. „Wir müssen nicht schüchtern sein, wir müssen uns wehren.“

Mehrere Klassen bereiten Aktionen in der Schule vor

Auf der Rückseite der Bänke haben die Schülerinnen und Schüler übrigens das Logo der Schule eingefräst. „Das war uns wichtig“, sagt Berivan Sesen, die auch in der Schülervertretung aktiv ist. „Schließlich ist es auch eine Aktion unserer Schule.“ Und das zeigt sich in diesen Tagen noch an anderer Stelle. Während nämlich die Bänke in der Holzwerkstatt den letzten Schliff bekommen, bereitet Berivan Sesen mit Schulpfarrerin Eva Zoske-Dernóczi und Mitschüler*innen Aktionen für die große Pausenhalle der Schule vor: Eine Politikklasse hat eine Zeitleiste erarbeitet, die auch zeigen soll, wie lange Vergewaltigungen und Gewalt in der Ehe vom Gesetzgeber noch toleriert wurden.

Sie soll aber auch von den kleinen Erfolgen und den großen Kämpfen mutiger Frauen erzählen, die das Thema in die Öffentlichkeit holten. „Wir entwerfen dazu ein Quiz“, erzählt Berivan. „Und wir hoffen, dass viele mitmachen.“ Eva Zoske-Dernóczi hat unterdessen auch Religions-, Deutsch- und Politiklehrer mit ins Boot geholt, damit das Thema im Schulalltag noch präsenter wird. „Vielleicht bauen wir so eine Bank auch mal auf dem Schulhof zusammen“, sagt Onenta Santentinai. Und dann setzen sich die beiden jungen Frauen mitten in der Pausenhalle auf eine der orangefarbenen Bänke und blicken sich entschlossen an.

Theresa Demski
Fotos: Theresa Demski, Meike Böschemeyer, Carl-Reuther-Berufskolleg, Eva Zoske-Dernóczi

 

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Orange Bänke – vor einem Jahr im Rhein-Sieg-Kreis